Zum Hauptinhalt
 
 
 
 

Zur Überwälzbarkeit einer Verbandsgeldbuße

 
 

Wird einem Rechtsanwalt vorgeworfen, einen Verband nicht über den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue (§ 167 StGB) oder ein mögliches Vorgehen nach § 209a StPO (Kronzeugenregelung) belehrt zu haben, so stehen der Strafanspruch des Staates und der Zweck der Verbandsgeldbuße einem auf deren Ersatz gerichteten Schadenersatzanspruch seines Mandanten nicht entgegen.

Über die (Rechtsvorgängerin der) Klägerin wurde im Jahr 2018 eine Verbandsgeldbuße nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz verhängt, weil sich ihr Vorstand durch das Legen von Scheinrechnungen des Verbrechens der Untreue und des schweren Betrugs schuldig gemacht hatte.

Die Klägerin begehrt von der beklagten Rechtsanwaltsgesellschaft wegen mangelhafter Beratung unter anderem den (anteiligen) Ersatz der Verbandsgeldbuße. Ein Rechtsanwalt der Beklagten habe ihr anlässlich der Ausstellung der Scheinrechnungen im Jahr 2007/2008 die Unbedenklichkeit dieser Vorgangsweise versichert. Darüber hinaus habe ihr die Beklagte nach Bekanntwerden des Falls im Mai 2014 nicht zur tätigen Reue und zur Inanspruchnahme der Kronzeugenregelung geraten. Bei entsprechender Beratung hätte die Klägerin diese Möglichkeiten aber mit Sicherheit ergriffen, um die strafgerichtliche Verurteilung mit allen nachteiligen Konsequenzen zu verhindern.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des die Verbandsgeldbuße betreffenden Teilbegehrens, weil gerichtlich verhängte Geldstrafen nicht ersatzfähig seien.

Der Oberste Gerichtshof gelangte zu dem Ergebnis, dass dieses Teilbegehren nicht von vornherein unschlüssig ist, und sprach aus, dass das Klagebegehren auch in Bezug auf die Verbandsgeldbuße nicht verjährt ist.

Nach der Rechtsprechung verstößt eine vor Begehung der strafbaren Handlung zwischen dem Täter und einem Dritten abgeschlossene Vereinbarung, nach der der Dritte sich zum Ersatz der über den Täter zu verhängenden Strafe und der dem Täter durch die Verurteilung drohenden Vermögensnachteile verpflichtet, gegen Grundsätze des Strafrechts und gegen die guten Sitten und ist daher nicht wirksam. Auch begründet der Strafanspruch des Staats keinen zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch, dessen Befriedigung der Bestrafte im Rückgriffsweg auf einen anderen überwälzen könnte, weil der Täter selbst im Fall einer Mitschuld eines anderen für sein strafwürdiges Verhalten allein einzustehen hat.

Diese Erwägungen stehen einem auf die Verbandsgeldbuße gerichteten Schadenersatzanspruch der Klägerin entgegen, soweit er auf eine Fehlberatung durch die Beklagte im Jahr 2007/2008 gestützt wird: Der Vorstand und die Rechtsvorgängerin der Klägerin wollen das strafbare Verhalten zwar (nur) aufgrund der Beratung durch die Beklagte gesetzt haben; das ändert aber nichts daran, dass das Strafgericht die Rechtsvorgängerin der Klägerin unabhängig davon als strafwürdig beurteilt und rechtskräftig über sie eine – auf ihr Verhaltensunrecht zugeschnittene – Strafe verhängt hat.

Anders ist allerdings der Vorwurf der Klägerin zu beurteilen, sie sei von der Beklagten nicht rechtzeitig über den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue und die Möglichkeit eines Vorgehens nach § 209a StPO (Rücktritt von der Verfolgung wegen Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft) aufgeklärt worden. Das Argument, dass der Täter das Strafübel verspüren muss, um dem Präventionsgedanken des Strafrechts gerecht zu werden, gilt insoweit nicht, weil der Gesetzgeber selbst zum Ausdruck bringt, unter bestimmten Voraussetzungen auf den Strafanspruch des Staates zu verzichten. Hier geht es daher nicht (mehr) um die Strafwürdigkeit der Tat, sondern um die Chance, die daraus resultierenden Konsequenzen im Nachhinein zu beseitigen, um die die Klägerin durch die angebliche Fehlberatung gebracht worden sein soll. In einem solchen Fall ist es nicht gerechtfertigt, einen Schadenersatzanspruch des Geschädigten zu verneinen.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 15.11.2024, 14:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/zur-ueberwaelzbarkeit-einer-verbandsgeldbusse/)

Oberster Gerichtshof  |  Schmerlingplatz 11 , A-1010 Wien  |  Telefon: +43 1 52152 0  |  Telefax: +43 1 52152 3710