Zum Hauptinhalt
 
 
 
 

Gefahrenquelle eines Spaßhauses ist zu sichern

 
 

Laufgeschäfte (Spaßhäuser) in Freizeitparks oder auf Jahrmärkten sind darauf ausgerichtet, die Besucher speziell durch den Einsatz von Wackelböden, rollenden Tonnen und Förderbändern zu Unterhaltungszwecken aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Die Betreiberin einer solchen Anlage hat aufgrund ihrer vertraglichen Verkehrssicherungspflicht dafür zu sorgen, dass in angemessener Zeit auf Stürze von Besuchern am Förderband reagiert wird.

Die Beklagte betreibt auf einem Jahrmarkt ein Laufgeschäft, das gegen Entgelt benutzt werden kann. Auf der mittleren Etage gibt es ein Förderband, das zum Zeitpunkt des Vorfalls nur über eine Kamera vom Fahrstand (auf Straßenniveau) aus überwacht wurde. Als die Klägerin das Spaßhaus besuchte, befanden sich zahlreiche weitere Personen, die die Sicht behinderten, im Bereich des Förderbands. Aus nicht mehr feststellbaren Gründen stürzte die Klägerin – sie war nicht alkoholisiert – am Förderband, woraufhin sich ihre offen getragenen Haare im weiterlaufenden Band verfingen und schließlich bis zur Kopfhaut eingezogen wurden. Selbst als sie das hintere Ende des Bands erreicht hatte, lief es trotz der eingezogenen Haare weiter. Die eingeklemmte Klägerin versuchte, sich dagegen zu stemmen, und schrie laut um Hilfe.

Nach wenigen Sekunden wurden andere Personen auf den Ernst der Lage aufmerksam und versuchten, schreiend und winkend dem Mitarbeiter im Fahrstand zu signalisieren, das Förderband zu stoppen. Aufgrund des Lärms am Jahrmarkt nahmen die Mitarbeiter der Beklagten die Rufe nicht wahr. Einen am Beginn des Förderbands montierten unbeschrifteten Notfallknopf bemerkte keine der umstehenden Personen. Es dauerte zumindest 30 Sekunden bis der Mitarbeiter im Fahrstand auf die winkenden Personen am Bildschirm reagierte und die Anlage stoppte. Die Klägerin wurde durch das Weiterlaufen des Förderbands verletzt.

Die Klägerin begehrt Schadenersatz für die Verletzungen. Die Beklagte habe ihre (vertragliche) Verkehrssicherungspflicht verletzt.

Das Erstgericht sprach aus, dass das Leistungsbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht wies über Berufung der Beklagten das Leistungsbegehren ab. Ein Notstopp 30 Sekunden nach dem Sturz sei ein angemessener Zeitrahmen für eine Reaktion. Der Beklagten falle keine schuldhafte Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht zu Last.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und stellte das Ersturteil wieder her.

Gerade ein Förderband ist eine leicht erkennbare Gefahrenquelle, weil sich lange Haare und lose Kleidung in den beweglichen Teilen verfangen können, was zu schweren Verletzungen und sogar zum Tod (Strangulation) führen kann. Da Stürze der Besucher nach dem Konzept des Laufgeschäfts zu erwarten sind, muss auch damit gerechnet werden, dass bei einem solchen Sturz auf dem Förderband lange Haare der gestürzten Person – wie hier – eingezogen werden. Angesichts der auf der Hand liegenden Gefahr erheblicher Schäden für die Besucher hat die Beklagte auf geeignete Weise dafür zu sorgen, dass in weniger als 30 Sekunden mit einem Notstopp auf einen Sturz am Förderband reagiert wird.

Die Videoüberwachung allein war unzureichend, zumal der Mitarbeiter im Fahrstand noch andere Aufgaben (etwa Animation) hatte. Bei hohem Besucherandrang kam es zudem immer wieder zu Sichtbehinderungen durch vor der Kamera stehende Personen. Konkret wurde auch die gestürzte Klägerin am Bildschirm durch Personen verdeckt, die sich zwischen ihr und der Kamera befanden. Der am Jahrmarkt vorherrschende Lärmpegel beeinträchtigte eine Kommunikation der auf der mittleren Ebene befindlichen Leute mit dem Mitarbeiter im Fahrstand.

Der Notknopf am Beginn des Förderbands war in erster Linie für Mitarbeiter der Beklagten gedacht und, obwohl dies der Beklagten leicht möglich gewesen wäre, nicht als Notstopp ausgewiesen. Dadurch wurde den anderen Besuchern eine richtige Reaktion auf die Notsituation der Klägerin erschwert. Der Oberste Gerichtshof bejahte daher – wie bereits das Erstgericht – eine Haftung der Beklagten wegen schuldhafter Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 18.10.2024, 08:10
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/gefahrenquelle-eines-spasshauses-ist-zu-sichern/)

Oberster Gerichtshof  |  Schmerlingplatz 11 , A-1010 Wien  |  Telefon: +43 1 52152 0  |  Telefax: +43 1 52152 3710