Notwehr
Auch ein starker Faustschlag in das Gesicht kann als Notwehr gerechtfertigt sein, wenn dem Angegriffenen keine anderen verlässlichen Abwehrmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Zwei Bekannte trafen zufällig aufeinander, wobei einer – er war alkoholisiert – den anderen provozierte, schubste und zu schlagen versuchte. Als der betrunkene Angreifer seinem Bekannten eine Ohrfeige verpassen wollte, schlug ihm dieser mit der Faust ins Gesicht, was aber ohne Folgen blieb. Als der Angreifer weiterhin versuchte, seinen Kontrahenten zu schlagen, lief dieser zunächst weg, drehte sich dann aber – da er vom Angreifer verfolgt wurde – um und schlug diesem neuerlich mit der Faust in das Gesicht, wodurch dieser eine Fraktur erlitt.
Das Erstgericht ging davon aus, dass der Angegriffene in Notwehr gehandelt hat.
Das Berufungsgericht nahm hingegen eine Überschreitung des Notwehrrechts an.
Der Oberste Gerichtshof teilt im Ergebnis die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach es zulässig war, dass sich der Angegriffene gegen den neuerlichen Versuch, ihn zu schlagen, mit einem Faustschlag zur Wehr setzte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Angegriffene dem Angreifer körperlich unterlegen und dieser aufgrund seiner Alkoholisierung unberechenbar war. Außerdem hatte der Angegriffene zunächst ohnehin versucht, dem Aggressor durch eine Flucht zu entgehen. Da der erste – weniger fest ausgeführte – Faustschlag den Angreifer nicht von weiteren Aggressionen abgehalten hatte, war es gerechtfertigt, den zweiten Schlag mit einer höheren Intensität auszuführen.