Hat eine Vorausvereinbarung über die Ehewohnung im Aufteilungsverfahren Bestand?
Nur die rechtliche Zuordnung der Ehewohnung durch Vorausvereinbarung ist „korrekturresistent“. Eine Vorausvereinbarung über den Ausgleich für die Errungenschaftsehewohnung fällt demgegenüber unter das Billigkeitskorrektiv des § 97 Absatz 2 Ehegesetz.
Die Frau brachte eine (nach wie vor in ihrem Alleineigentum stehende) Liegenschaft in die Ehe ein, auf der während aufrechter Ehegemeinschaft das eheliche Wohnhaus errichtet wurde. Im Dezember 2015 vereinbarten die Ehegatten in einem Notariatsakt, für den Fall der zukünftigen Scheidung wechselseitig auf eine Ausgleichszahlung für die Ehewohnung zu verzichten und das eheliche Gebrauchsvermögen einvernehmlich aufzuteilen.
Der Mann begehrte nach Scheidung der Ehe im Jahr 2018 eine Ausgleichszahlung für das auf der ehelichen Liegenschaft befindliche Wohngebäude.
Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass es sich beim Notariatsakt vom Dezember 2015 um eine formgültige Vorausvereinbarung im Sinn des § 97 Absatz 1 Ehegesetz (EheG) handle. Nach § 97 Absatz 2 EheG könne von einer im Voraus geschlossenen Vereinbarung über die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse und des ehelichen Gebrauchsvermögens mit Ausnahme der Ehewohnung nur abgewichen werden, soweit die Vereinbarung in einer Gesamtbetrachtung des in die Aufteilung einzubeziehenden Vermögens im Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung einen Teil unbillig benachteilige, sodass ihm die Zuhaltung unzumutbar sei. Von der Billigkeitskontrolle nach § 97 Absatz 2 EheG sei die Ehewohnung daher ausgenommen. Der vereinbarte Verzicht auf eine Ausgleichszahlung umfasse sowohl sämtliche Beiträge der Frau, als auch den festgestellten finanziellen Beitrag des Mannes zur Errichtung des Wohnhauses.
Der Oberste Gerichtshof teilte diese Auffassung der Vorinstanzen nicht:
Nur die Vorausvereinbarung über die rechtliche Zuordnung der Ehewohnung an einen Ehegatten soll das Aufteilungsgericht binden („insoweit …, als es diese Zuordnung nicht mehr in Frage stellen kann“). Eine Regelung über den Ausgleich für die Schaffung der Ehewohnung durch eheliche Errungenschaft geht jedoch über die rechtliche Zuordnung der Ehewohnung hinaus und betrifft die Aufteilung des (übrigen) Vermögens, das § 97 Absatz 2 EheG der Billigkeitskorrektur unterwirft. Eine diesbezügliche Vereinbarung ist daher unter den Voraussetzungen des § 97 Absatz 2 EheG korrigierbar. Ob Unzumutbarkeit im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, ist durch einen Vergleich der Aufteilungsergebnisse mit und ohne Beachtung der Vereinbarung zu ermitteln („Kontroll- oder Parallelrechnung“). Ein Indiz für die Unzumutbarkeit kann im Einzelfall darin liegen, dass ein Ehegatte bei Beachtung der Vereinbarung mehr als die Hälfte weniger erhielte als ohne diese Vereinbarung. Ist Unzumutbarkeit anzunehmen, so ist unter Bedachtnahme auf § 97 Absatz 4 EheG (nur) so weit von der Vereinbarung abzuweichen, dass das Ergebnis der Aufteilung im Einzelfall nicht mehr unzumutbar ist.
Die Frage, ob und inwieweit dem Mann im vorliegenden Fall ein Ausgleich für die eine eheliche Errungenschaft bildende Ehewohnung zuzuerkennen ist, ist im fortzusetzenden Verfahren zu klären.