Beschleunigungsgebot in Haftsachen ausgeweitet
Ins Gewicht fallende Säumigkeit des Gerichtes bei Überprüfung eines Alibis.
Auf Grund eines Haftbefehls des Untersuchungsrichters nahm die Polizei vier Beschuldigte fest. Sie standen unter dem Verdacht des schweren Raubes. Einer der Verhafteten machte sogleich konkrete Angaben zu einem Alibi.
Die Polizei lieferte die Beschuldigten um 19.55 Uhr bei Gericht ein. Das Alibi hatten die Beamten nicht überprüft.
Der Untersuchungsrichter begann am nächsten Tag um 8.00 Uhr mit der Vernehmung jenes Beschuldigten, der das Alibi angegeben hatte. Dieser wiederholte, dass er mit der Sache nichts zu tun habe, und verwies auf seine Aussage bei der Polizei. Der Richter verhängte entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft die Untersuchungshaft.
Ab 9.00 Uhr war der Untersuchungsrichter ganztägig als Beisitzer in einem Geschworenenverfahren eingeteilt, ebenso am folgenden Tag bis 22.15 Uhr. Erst danach veranlasste er die Überprüfung des Alibis.
Der Beschuldigte machte Säumigkeit des Gerichtes geltend und wandte sich mit einer Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof. Dieser sprach aus, dass eine Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit stattgefunden hatte:
Mit Blick auf das Beschleunigungsgebot in Haftsachen hätte das Gericht noch vor der binnen 48 Stunden ab Einlieferung gebotenen Entscheidung über die Untersuchungshaft zwar nach Lage des Falles nicht selbst Erhebungen anstellen, aber doch zumindest veranlassen müssen, dass die Angaben des Beschuldigten über das konkret bezeichnete Alibi schleunigst durch die Polizei überprüft werden.
In Fortführung seiner Rechtsprechung zum Beschleunigungsgebot betonte der Oberste Gerichtshof, dass ohne Bedeutung ist, ob den Untersuchungsrichter ein Verschulden traf, obliegt es doch dem Staat, das Grundrecht zu gewährleisten.
Der Entscheidung zufolge ist in Hinsicht auf § 1 Abs 1 Grundrechtsbeschwerdegesetz maßgeblich, ob die ins Gewicht fallende Säumigkeit den Gerichten zuzurechnen ist, was hier zutrifft. Zur Vermeidung einer solchen Grundrechtsverletzung können auch, wie der Oberste Gerichtshof betonte, organisatorische Maßnahmen geboten sein, für den Fall einer Verhinderung des zuständigen Richters zum Beispiel durch rechtzeitige Befassung eines Vertreters.