Helmpflicht für „sportlich ambitionierte“ Radfahrer, die sich besonderen Risiken aussetzen
Der Oberste Gerichtshof bejahte erstmals die Helmpflicht für Radfahrer, die unter rennmäßigen Bedingungen fahren. Erleidet ein solcher Radfahrer bei einem Sturz Schädelverletzungen, die beim Tragen eines Helms vermeidbar gewesen wären, so trifft ihn ein Mitverschulden.
Der Kläger und sein Freund fuhren im Jahr 2008 mit ihren Rennfahrrädern auf einer Bundesstraße im Ortsgebiet von Attersee. Beide waren mit Renndressen bekleidet, trugen jedoch keinen Fahrradhelm. Ihre Fahrgeschwindigkeit betrug ca 35 km/h, wobei sich der Kläger im Windschatten seines Freundes hielt. Als die damals 85-jährige Beklagte die Fahrbahn überquerte, führte der Freund des Klägers eine starke Bremsung durch. Der Tiefenabstand des Klägers von nur 1,5 m (0,15 sec) war so gering, dass das Auffahren auf das Rad des Freundes nicht vermeidbar war. Der Kläger kam zu Sturz und zog sich schwere Schädelverletzungen samt Dauerfolgen zu. Hätte er einen Helm getragen, hätte er nur eine Gehirnerschütterung ohne Dauerfolgen erlitten.
Die Vorinstanzen teilten das Verschulden 2:1 zu Lasten der Beklagten. Sie vertraten die Ansicht, dass das Nichttragen eines Fahrradhelms kein weiteres Mitverschulden des Klägers begründe.
Der Oberste Gerichtshof bejahte in Anlehnung an die zwischen „normalen“ und „sportlich ambitionierten“ Radfahrern unterscheidende Rechtsprechung deutscher Obergerichte eine Helmpflicht des unter rennmäßigen Bedingungen fahrenden Klägers, der sich infolge Windschattenfahrens dem besonderen Risiko des Auffahrens auf das Fahrrad seines Vordermanns ausgesetzt hatte. Er betonte, dass zum einen die Fahrweise dieser Gruppe von Radfahrern, bei der die Erzielung hoher Geschwindigkeiten im Vordergrund steht, naturgemäß ein gesteigertes Unfallrisiko und damit eine beträchtliche Steigerung der Eigengefährdung, insbesondere die Gefahr schwerer Kopfverletzungen in sich birgt. Zum anderen vermochte er sich auf das Ergebnis einer Umfrage des KfV im Jahr 2006 zu stützen, wonach bereits 93 % der Befragten das Tragen eines Helms bei Radsportlern als wichtig erkannt hatten. Für das Jahr 2008, in dem sich der Unfall ereignete, konnte daher schon von einem „allgemeinen Bewusstsein der beteiligten Kreise“ in Österreich ausgegangen werden, dass der „Einsichtige und Vernünftige“ wegen der erhöhten Eigengefährdung bei Fahrten unter rennmäßigen Bedingungen einen Radhelm trägt. Der Ersatzanspruch des Klägers wurde – unter Beachtung näher dargestellter Berechnungsgrundsätze – um einen weiteren Mitverschuldensanteil von 25 % gekürzt.