Kein Schmerzengeld bei ungerechtfertigter Verhaftung eines nahen Angehörigen
Die hier behauptete ungerechtfertigte Haft im Ausmaß von zwei Tagen kann in ihrer Eignung, einen „Schockschaden“ herbeizuführen, nicht mit der Tötung oder schwersten Verletzung eines – deshalb pflegebedürftigen – Angehörigen gleichgesetzt werden.
Der Ehegatte der Klägerin und Alleinerhalter der Familie wurde wegen des Verdachts des Diebstahls von Gegenständen erheblichen Werts aufgrund eines gerichtlichen Haftbefehls in Verwahrung genommen und nach seiner Vernehmung zwei Tage später gegen Gelöbnis wieder enthaftet. Das gegen ihn geführte Strafverfahren wurde schließlich eingestellt. Es wurde ausgesprochen, dass ihm ein Entschädigungsanspruch für die Haft zusteht.
Die Klägerin begehrte nun Schmerzengeld und berief sich im Wesentlichen darauf, mangels ausreichenden Tatverdachts seien das Strafverfahren gegen ihren Ehegatten zu Unrecht geführt und die Haft zu Unrecht verhängt worden. Sie habe einen schweren Schock erlitten, als sie von der Festnahme erfahren habe, und leide seither an Existenzängsten und Depressionen mit Krankheitswert. Sie könne deshalb eigene Schadenersatzansprüche erheben, weil sie in einem absolut geschützten Recht verletzt worden sei. Die gegen ihren Ehemann gesetzte Verletzungshandlungen seien objektiv betrachtet in hohem Maß geeignet, bei nahen Angehörigen einen Schockschaden mit nachfolgenden Depressionen vom Krankheitswert auszulösen. Es liege daher eine deliktische Schadenszufügung vor, weil die von den Organen der Republik Österreich gesetzten Verletzungshandlungen aufgrund ihrer persönlichen Verbundenheit zu ihrem Ehegatten für sie selbst gefährlich gewesen seien.
Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Der Oberste Gerichtshof führte aus, die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, in ihrem durch Art 8 Abs 1 EMRK verfassungsrechtlich eingeräumten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden zu sein. Der staatliche Eingriff habe sich unmittelbar gegen ihren Ehegatten gerichtet, wogegen sich die behauptete Beeinträchtigung der Klägerin als bloße Nebenwirkung dargestellt habe. Die Klägerin falle aber auch nicht in den durch § 1325 ABGB abgesteckten Schutzbereich der zivilrechtlichen Schadenersatzvorschriften.
Dabei wies der Oberste Gerichtshof darauf hin, dass ähnliche Probleme gerade im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen bereits judiziert wurden. Angehörige, die bei einem Unfall nicht selbst verletzt wurden, könnten nach der neueren Rechtsprechung dann Schadenersatz begehren, wenn das Verhalten des Schädigers nicht nur zur Tötung des Unfallopfers geführt hat, sondern darüber hinaus in hohem Maße geeignet war, einen Schockschaden bei dem betreffenden nahen Angehörigen herbeizuführen. Bislang wurde einem Angehörigen nur in jenen Konstellationen Schmerzengeld zugesprochen, bei denen der unmittelbar Geschädigte starb und sie die Nachricht vom Tod übermittelt bekamen oder wenn sie den Tod oder eine schwere Verletzung eines Angehörigen selbst miterleben mussten, was eine psychische Beeinträchtigung beim Betreffenden nach sich zog.
Der Oberste Gerichtshof hat auch wiederholt betont, dass die Gefahr einer unangemessenen und unzumutbaren Ausweitung der Haftung bestünde, sodass sich ein Ausgleich des „Fernwirkungsschadens“ nur bei Hinzutreten eines besonders starken Zurechnungsgrundes rechtfertigen lasse. Die hier behauptete ungerechtfertigte Haft im Ausmaß von zwei Tagen könne in ihrer Eignung, einen „Schockschaden“ herbeizuführen, nicht mit der Tötung oder schwersten Verletzung eines – deshalb pflegebedürftigen – Angehörigen gleichgesetzt werden. Die Republik Österreich habe daher der Klägerin nicht für allfällige gesundheitliche Nachteile zu haften.