Auszahlung einer Unfallversicherungssumme bei Minderjährigen
Ein Versicherer darf eine Unfallversicherungssumme über 10.000 Euro an den Elternteil eines minderjährigen Berechtigten nicht ohne pflegschaftsgerichtliche Ermächtigung schuldbefreiend auszahlen.
Dem Vater des am 7. 3. 1987 geborenen Klägers war nach Scheidung der Eltern die Obsorge übertragen worden. Bei der beklagten Versicherung hatte er zugunsten seines Sohnes eine Unfallversicherung mit einer Versicherungssumme bis 90.000 Euro für den Fall dauernder Invalidität abgeschlossen. Am 24. 9. 2003 erlitt der Kläger einen Verkehrsunfall, seit dem er querschnittgelähmt ist. Nach Schadensanzeige des Vaters überwies die Versicherung aufgrund einer von ihm unterfertigten Abfindungserklärung 86.000 Euro auf das Konto des Vaters.
Der inzwischen volljährige Kläger begehrte die Verurteilung des Versicherers zur Zahlung von rund 39.400 Euro, da sein Vater nur rund 70.100 Euro für ihn aufgewendet, den Rest jedoch zweckwidrig verwendet habe. Eine Eintreibung beim Vater sei wegen dessen Alkoholismus und mangels verwertbaren Vermögens aussichtslos. Die Beklagte hätte die Versicherungssumme nicht ohne pflegschaftsgerichtliche Genehmigung auszahlen dürfen.
Die Beklagte wendete ein, dass es einer solchen nicht bedurft hätte.
Beide Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Begründend führte er – zusammengefasst – aus, dass der Begriff des „gesetzlichen Vertreters“ in der maßgeblichen Norm des § 234 ABGB nicht eng (unter Ausklammerung der Eltern, Groß- und Pflegeeltern), sondern weit – sohin diese Personengruppe mitumfassend – auszulegen sei; dies ergebe sich rechtshistorisch und rechtssystematisch (insbesondere aus der in § 133 Abs 2 AußStrG auf die Wertgrenze von 10.000 Euro Bezug nehmende Überwachungspflicht des Pflegschaftsgerichts auch für Eltern, Großeltern und Pflegeeltern, die jedoch nur dann auch wahrgenommen und effektiv ausgeübt werden könne, wenn das Gericht zuvor im Sinn seiner umfassenden pflegschaftsgerichtlichen Rechtsfürsorgepflicht vom Vorliegen eines derartigen Vermögenswerts überhaupt erfahre). Demnach hätte der Vater des Klägers den von der Beklagten ausgezahlten, insgesamt 10.000 Euro bei weitem übersteigenden Kapitalbetrag nach den Grundsätzen des § 149 Abs 1 letzter Satz iVm § 234 ABGB nur mit Ermächtigung des Pflegschaftsgerichts entgegen nehmen dürfen. Durch das Unterbleiben einer solchen habe die Beklagte an den Vater daher nicht schuldbefreiend geleistet (§ 234 zweiter Satz ABGB). Da zur Höhe der vom Kläger geltend gemachten Forderung von den Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen worden waren und vom beklagten Versicherer das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach bestritten wurde, werde das Erstgericht hierüber Beweis aufzunehmen und entsprechende Feststellungen zu treffen haben.