Kein Schadenersatz für freigesprochenen Angeklagten im „Tierschützerprozess“
Ob und inwieweit zusätzliche Beweisergebnisse die Verdachtslage verändern, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Das gilt auch für die Frage, ob es bei früherer Vorlage des Berichts über die verdeckte Ermittlung und deren Beurteilung durch pflichtgemäß handelnde Organe der Strafrechtspflege wegen des Gewichts der anderen Beweismittel ebenso zur Verhaftung, Untersuchungshaft und Anklage gekommen wäre.
Der Kläger, der sich wegen des Verdachts des Verbrechens der kriminellen Organisation mehr als drei Monate in Untersuchungshaft befunden hatte, wurde von diesem Vorwurf im sogenannten „Tierschützerprozess“ freigesprochen.
Er begehrt vom Bund Schadenersatz von rund 580.000 EUR (davon ca 450.000 EUR Anwaltskosten) und die Feststellung dessen Haftung. Es wäre weder zu seiner Verhaftung noch zur Anklage gekommen, wenn bestimmte Beweismittel, und zwar vor allem der erst in der Hauptverhandlung vorgelegte Bericht über die verdeckte Ermittlung, nicht zurückgehalten worden wären.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es pflichtete dem Kläger zwar darin bei, dass die Kriminalpolizei auch die von ihm vermissten Erhebungsergebnisse schon früher hätte übermitteln müssen, kam aber in seinem 185‑seitigen Urteil nach ausführlicher Befassung mit diesen Unterlagen im Einzelnen und deren Bewertung in einer Gesamtschau mit den anderen Beweisergebnissen zum Ergebnis, dass ihre Vorlage an der Verpflichtung, die Untersuchungshaft zu verhängen und den Strafantrag einzubringen, nichts geändert hätte.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.
Der Oberste Gerichtshof teilte die Rechtsansicht der Vorinstanzen und führte dazu aus: Die Frage, ob sich zu einem bestimmten Tatvorwurf aus den Ermittlungsergebnissen ein dringender Tatverdacht ableiten lässt oder eine Anklage einzubringen ist, ist regelmäßig eine solche, die nur anhand der konkreten Umstände beurteilt werden kann.
Während der Kläger mit einem „anderen“ Verständnis jener Menschen, die sich innerhalb einer „Protestkultur“ befänden, argumentiert und ausgehend davon einzelnen Beweisergebnissen ein anderes Gewicht zumisst als die Vorinstanzen, setzte sich das Berufungsgericht mit den Voraussetzungen dafür, ob sich zu einem bestimmten Tatvorwurf ein dringender Tatverdacht ableiten lässt oder eine Anklage einzubringen ist, und den Tatbestandsmerkmalen des konkret vorgeworfenen Verbrechens auseinander.
Nach eingehender Bewertung der zum damaligen Zeitpunkt vorhandenen Beweise (so unter anderem der Kontakte und dokumentierten Äußerungen des Klägers, des zeitlichen Ablaufs von Drohungen und dann auch den tatsächlich verübten schwerwiegenden Straftaten gegen eine im Bekleidungssektor tätige Handelskette sowie der bei Mitverdächtigten beschlagnahmten Gegenstände) teilte es den Standpunkt des Erstgerichts, dass es auch dann, wenn die vom Kläger vermissten Unterlagen miteinbezogen worden wären, zur Anklage und Verhängung der Untersuchungshaft gekommen wäre. Jene Beweisergebnisse, die letztlich zum Freispruch des Klägers geführt hätten, seien zum Großteil erst in der Hauptverhandlung entstanden und dürften dabei nicht berücksichtigt werden. In dieser Auffassung des Berufungsgerichts liegt kein Abweichen von den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen.
Eine Fehlbeurteilung, die ein Eingreifen des Obersten Gerichtshofs aus Gründen der Rechtssicherheit auch im Einzelfall erfordern würde, kann der Kläger nicht aufzeigen.