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Beleidigung des Dienstnehmers durch den gewerberechtlichen Geschäftsführer: Vorzeitiger Austritt gerechtfertigt?

 
 

Der Oberste Gerichtshof klärt, ob die beleidigende Äußerung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers dem Dienstgeber zuzurechnen ist und deshalb den vorzeitiger Austritt des Dienstnehmers aus dem Dienstverhältnis rechtfertigt.

Der Kläger war bei der beklagten GmbH in der Verwaltungsabteilung beschäftigt. Bei der GmbH handelte es sich um einen Familienbetrieb, der Vater war Alleingesellschafter und handelsrechtlicher Geschäftsführer, die Mutter leitete die Verwaltungsabteilung, der seit 17 Jahren in der Firma beschäftigte Sohn war gewerberechtlicher Geschäftsführer und auch für das Marketing, die Werbung und die Internetauftritte der Beklagten zuständig, nicht aber für die Personalagenden. Dass sich der Sohn gegenüber dem Kläger als Chef präsentiert hätte, war nicht feststellbar. Als der Kläger dem Sohn seine Absicht bekannt gab, das Dienstverhältnis wegen der Aussicht auf eine andere Beschäftigung zu beenden, beschimpfte ihn dieser als „charakterlose Sau“, woraufhin der Kläger umgehend aus dem Dienstverhältnis austrat.

Der Kläger brachte vor, das Dienstverhältnis berechtigterweise vorzeitig beendet zu haben und machte mit seiner Klage Beendigungsansprüche (Kündigungsentschädigung ua) geltend.

Die Beklagte erwiderte, nur Ehrenbeleidigungen des Dienstgebers würden den Dienstnehmer zum Austritt berechtigen. Die Äußerung des Sohnes des handelsrechtlichen Geschäftsführers sei ihr nicht zurechenbar.

Das Erstgericht folgte dem Standpunkt der Beklagten und wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Klage statt, weil der Sohn als gewerberechtlicher Geschäftsführer Repräsentant der GmbH und ihr deshalb sein Verhalten zurechenbar sei.

Der Oberste Gerichtshof stellte über Revision der Beklagten das klageabweisende Ersturteil wieder her. Ein wichtiger Grund, der den Angestellten zum vorzeitigen Austritt berechtigt, liegt nach dem Gesetz unter anderem dann vor, wenn sich der Dienstgeber erhebliche Ehrverletzungen gegen den Angestellten zuschulden kommen lässt.

Dienstgeber ist der Geschäftsinhaber, bei juristischen Personen das vertretungsbefugte Organ. Ihm gleichgestellt sind jene Personen, die kraft ihrer Befugnisse und ihrer Stellung gegenüber den anderen Dienstnehmern als zur selbständigen Geschäftsführung berufene Stellvertreter anzusehen sind, die also insbesondere auch Arbeitgeberfunktionen ausüben können. Das traf auf den Sohn des Organs der Beklagten nicht zu.

Bei deliktischem Verhalten (Ehrenbeleidigung) können dem Dienstgeber auch Repräsentanten zuzurechnen sein, wofür eine Person für den „Machtgeber“ in verantwortlicher, leitender oder überwachender Funktion tätig werden oder zumindest ein Sachzusammenhang zwischen dem Aufgabenbereich und dem behauptete Delikt vorliegen muss. Ein gewerberechtlicher Geschäftsführer ist zwar für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde  gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich. Aus dieser Stellung lässt sich aber noch keine Personalverantwortung ableiten. Die Ehrenbeleidigung hatte sich demnach nicht im eigenverantwortlichen Wirkungsbereich des Sohnes verwirklicht. Da die beleidigende Äußerung des Sohnes der GmbH daher nicht zurechenbar war, lag keine Ehrenbeleidigung „des Dienstgebers“ vor, die den vorzeitigen Austritt des Klägers aus dem Dienstverhältnis gerechtfertigt hätte.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 15.11.2024, 15:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/beleidigung-des-dienstnehmers-durch-den-gewerberechtlichen-geschaeftsfuehrer-vorzeitiger-austritt-gerechtfertigt/)

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