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Verbot des Pflegeregresses befreit nicht von der Unterhaltspflicht

 
 

Das Verbot des Pflegeregresses nach § 330a ASVG befreit die Eltern eines nach dem Kärntner Kinder- und Jugendhilfegesetz untergebrachten Kindes nicht, dem Land Kärnten die Kosten der vollen Erziehung, soweit durch diese Leistungen der Unterhalt tatsächlich gewährt wurde, zu ersetzen.

Das minderjährige Kind ist im Rahmen der vollen Erziehung nach dem Kärntner Kinder- und Jugendhilfegesetz in einer bestimmten sozialpädagogischen Wohngemeinschaft untergebracht. Dort werden Jugendliche im Alter zwischen 13 und 18 Jahren aufgenommen, bei denen der Verbleib in ihrem Herkunftssystem nicht möglich bzw nicht förderlich ist.

Die Kosten für die Gewährung dieser Erziehungshilfe hat grundsätzlich zunächst das Land zu tragen. Diese Kosten sind aber, soweit durch diese Leistungen der Unterhalt tatsächlich gewährt wurde, von den zivilrechtlich zum Unterhalt Verpflichteten zu ersetzen, soweit diese nach ihren Lebensverhältnissen dazu imstande sind oder zum Zeitpunkt der Gewährung der Erziehungshilfe imstande waren. Forderungen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf wiederkehrende Leistungen, die der Deckung des Unterhaltsbedarfs dienen, gehen bis zur Höhe der Ersatzforderung auf das die volle Erziehung oder die Hilfen für junge Erwachsene gewährende Land über. Diese besonderen Kostentragungs- und Kostenersatzregelungen bewirken, dass der volle Unterhaltsanspruch des untergebrachten Kindes trotz primärer voller Kostentragung ihrer Unterbringung durch das Land grundsätzlich bestehen bleibt.

Der in Geld unterhaltspflichtige Vater dieses Kindes beantragte, ihn von seiner Unterhaltspflicht zu entheben, weil sich sein Kind nunmehr in einer öffentlichen Einrichtung befinde, deren Kosten vom Land Kärnten getragen würden. Aufgrund der seit 1. 1. 2018 geltenden Bestimmungen zum Verbot des Pflegeregresses müsse er nichts mehr zu den Unterbringungskosten beitragen.

Die Vorinstanzen gaben dem Unterhaltsenthebungsantrag des Vaters aus diesem Grund statt.

Der Oberste Gerichtshof teilt diese Rechtsauffassung nicht. Das Verbot des Pflegeregresses besagt, dass ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten unzulässig ist. Das Ziel des Verbots des Pflegeregresses ist, dass die Pflege und Betreuung älterer und gebrechlicher Menschen an die mittlerweile eingetretenen Veränderungen der sozialökonomischen und soziodemographischen Entwicklung in Österreich angepasst werden soll. Immer mehr Menschen werden immer älter. Die Unterbringung bedürftiger Personen in Alten- und Pflegeheimen stellt aber eine besonders kostenintensive Form der Pflege und Betreuung dar. Die Entscheidung für eine bestimmte Form der Pflege und Betreuung darf aber keine Finanzierungsfrage sein, sondern sollte sich an den Bedürfnissen der betreffenden Personen orientieren.

Das Verbot des Pflegeregresses will verhindern, dass ältere Personen, die eine Pflege und Betreuung in einer stationären Heimpflege benötigen, den „Gang ins Heim“ vermeiden, um finanziellen Schaden von sich und den Verwandten abzuwenden und die eigene Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit durch Hilfsdienste und mit Unterstützung von Angehörigen abzudecken versuchen.

Der Gesetzgeber wollte mit diesem Verbot aber nicht bewirken, dass damit auch die Regelung des Kostenersatzes der vollen Erziehung durch den zivilrechtlich zum Unterhalt verpflichteten Elternteil nach dem Kärntner Kinder- und Jugendhilfegesetz umfasst ist. Es soll also nicht der Elternteil  eines im Rahmen dieses Gesetzes untergebrachten Kindes von seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch befreit werden.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 15.11.2024, 14:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/verbot-des-pflegeregresses-befreit-nicht-von-der-unterhaltspflicht/)

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