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Der für die streitige Scheidung bestellte Verfahrenshelfer ist nicht auch für die einvernehmliche Scheidung bestellt

 
 

Im Rahmen der Verfahrenshilfe schreitet der bestellte Verfahrenshelfer aufgrund des Bewilligungsbeschlusses und des Bestellungsbescheids ohne Prozessvollmacht ein. Eine „Erstreckung“ der auf der Bewilligung der Verfahrenshilfe im Scheidungsprozess beruhenden Vertretungsbefugnis auf das Verfahren über die einvernehmliche Scheidung findet nicht statt.

Der Ehemann begehrte die (streitige) Scheidung von seiner seit Jahren im Wachkoma liegenden Frau. Aufgrund des Antrags der Sachwalterin der Frau wurde ihr in diesem Zivilprozess Verfahrenshilfe bewilligt und ein Rechtsanwalt zum Verfahrenshelfer bestellt. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens stellten die Parteien einen Antrag auf Scheidung im Einvernehmen, worauf das zuständige Bezirksgericht das Ehescheidungsverfahren unterbrach.

Die Parteien unterbreiteten einen Scheidungsfolgenvergleich. Sie stellten außer Streit, dass die Ehe unheilbar zerrüttet, seit mehr als drei Jahren aufgehoben und ihre Wiederherstellung nicht möglich sei. Daraufhin verkündete das Bezirksgericht den Beschluss über die einvernehmliche Scheidung.

Befand sich die Frau aber in einem wachkomatösen Zustand, hätte sie nicht einvernehmlich geschieden werden dürfen. Sie konnte nämlich bei der Willensbildung, einvernehmlich geschieden werden zu wollen, auch wenn für sie ein Sachwalter für alle Angelegenheiten bestellt war, nicht vertreten werden. Es ist aber zweifelsohne eine der Aufgaben eines für alle Angelegenheiten bestellten Sachwalters, Entscheidungen einer Behörde oder eines Gerichts (seien sie auch fehlerhaft) für die Betroffene zu übernehmen und sie nötigenfalls zu bekämpfen, könnte doch andernfalls einer „behinderten Person“ ansonsten in manchen Bereichen gar nicht wirksam zugestellt werden.

Konnte sich die Vertretungsbefugnis des im Zivilprozess bestellten Verfahrenshelfers aber nicht auf ein anderes – nach einer anderen Verfahrensordnung, nämlich dem Außerstreitgesetz, zu führendes – Verfahren (über die einvernehmliche Scheidung) erstrecken, ist im konkreten Fall der Scheidungsbeschluss entweder noch gar nicht wirksam (nur an den im streitigen Verfahren bestellten Verfahrenshelfer) oder aber – bei Zustellung auch an die Sachwalterin – schon mehr als vier Wochen vor dem gestellten Abänderungsantrag zugestellt worden.

Der Oberste Gerichtshof stellte daher die Entscheidung des Erstgerichts wieder her, mit der der Abänderungsantrag zurückgewiesen worden war.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 15.11.2024, 14:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/der-fuer-die-streitige-scheidung-bestellte-verfahrenshelfer-ist-nicht-auch-fuer-die-einvernehmliche-scheidung-bestellt/)

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