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Zur Aussetzung des Kontakts zwischen einem Elternteil und seinem minderjährigen Kind

 
 

Das Recht auf persönliche Kontakte ist ein unter dem Schutz des Art 8 MRK stehendes „Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung“. Einem Elternteil steht dieses Recht nur dann nicht zu, wenn das Wohl des Kindes durch dessen Ausübung massiv gefährdet wird. Die gänzliche Unterbindung des persönlichen Kontakts zwischen einem Elternteil und seinem Kind durch Gerichtsbeschluss setzt daher entsprechende Feststellungen voraus.

Der Vater beantragte beim Erstgericht zuletzt eine detaillierte Regelung seines Kontakt- und Ferienbesuchsrechts zu seiner im Jahr 2009 geborenen Tochter. Die für das Kind allein obsorgeberechtigte Mutter beantragte die Aussetzung des Kontaktrechts, weil die Tochter den Vater – zumindest temporär – ablehne.

Im Zuge des Verfahrens vereinbarten die Eltern vierzehntägige, im Rahmen eines Besuchscafés begleitete, Kontakte des Vaters zur Tochter. Bei den ersten drei Treffen zeigte die Tochter Interesse und Freude an der Interaktion mit dem Vater. Der Vater war sichtlich bemüht, eine Beziehung zu seiner Tochter herzustellen und die Besuchszeit mit adäquaten Spielangeboten kurzweilig zu gestalten. Den vierten Termin nutzte der Vater vereinbarungswidrig zu einem unbegleiteten Kontakt und spazierte mit der Tochter und deren erwachsener Halbschwester durch die Wiener Innenstadt. Die Mutter war über dieses Verhalten des Vaters schwer enttäuscht. Diese Enttäuschung bemerkte auch die Tochter, die seither Kontakte zum Vater ablehnt.

Die Vorinstanzen wiesen den Antrag des Vaters auf Regelung des Kontakt- und Ferienbesuchsrechts ab und setzten über erneuten Antrag der Mutter das Kontaktrecht des Vaters zum Kind aus.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Vaters Folge und hob die Beschlüsse der Vorinstanzen zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das eigenmächtige Vorgehen des Vaters anlässlich der Ausübung des vierten Kontakts entsprach zwar nicht dem Kindeswohl, weil die Tochter die Enttäuschung der Mutter über das Verhalten des Vaters bemerkte. Daraus folgt allerdings noch nicht, dass weitere – begleitete – Kontakte dem Kindeswohl massiv widerstreiten würden. Der Wille des Kindes stellt ein wichtiges, jedoch nicht allein maßgebliches Kriterium dar. Insbesondere ein unmündiges Kind ist typischerweise nicht in der Lage, rational zu beurteilen, welche konkrete Ausgestaltung seiner zukünftigen Beziehungen zu den beiden Elternteilen für seine Entwicklung am Günstigsten ist. Das Erstgericht wird daher Feststellungen zu treffen haben, die eine Beurteilung erlauben, ob die vollständige Aussetzung der Kontakte zum Vater dem Kindeswohl tatsächlich besser gerecht wird, als ein (begleitetes) Kontaktrecht. Nur wenn ein erzwungener Kontakt das Kindeswohl gefährden würde, wäre ein Kontaktrecht nicht zu bewilligen.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 15.11.2024, 14:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/zur-aussetzung-des-kontakts-zwischen-einem-elternteil-und-seinem-minderjaehrigen-kind/)

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