Anspruchserhebung während der Nachmeldefrist in der D&O Versicherung
Die prozessuale Aufrechnungserklärung ist der Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs gleichzuhalten.
Nach der Bedingungslage sind auch solche Schadenersatzansprüche versichert, die innerhalb von 12 Monaten nach Beendigung des Versicherungsvertrags geltend gemacht und dem Versicherer angezeigt werden und auf Pflichtverletzungen beruhen, die vor Beendigung des Vertrages begangen worden sind.
Der Kläger ist als Vorstandsvorsitzender eines Tochterunternehmens der Versicherungsnehmerin in dem zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten abgeschlossenen D&O Versicherungsvertrag mitversichert. 2009 erhob er vor dem ASG Wien gegen das Tochterunternehmen Ansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses. Das Tochterunternehmen wandte Schadenersatzansprüche in Höhe von ca 72 Mio EUR aufrechnungsweise ein und erhob Widerklage über ca 3 Mio EUR. 2013 brachte das Tochterunternehmen eine Schadenersatzklage über – ausgedehnt – 35 Mio EUR gegen den Kläger beim HG Wien ein.
Der Kläger begehrt die Zahlung der ihm bisher entstanden Kosten im Verfahren vor dem HG Wien und die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten.
Die Beklagte hält dem entgegen, dass die prozessuale Aufrechungserklärung im Verfahren vor dem ASG Wien keine der Bedingung entsprechende Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches sei. Die Inanspruchnahme vor dem HG Wien liege außerhalb der vereinbarten Nachmeldefrist.
Die Vorinstanzen beurteilten die Aufrechnungserklärung als fristgemäße Inanspruchnahme.
Der Oberste Gerichtshof teilt diese Rechtsansicht.
Eine Anspruchserhebung oder Geltendmachung von Haftpflichtansprüchen liegt vor, wenn der tatsächlich oder vermeintlich geschädigte Dritte seinen Entschluss in einer Art und Weise zu erkennen gibt, die als ernstliche Erklärung auf Verlangen nach Schadenersatz verstanden werden kann. Eine Bezifferung des Anspruchs wird zwar nicht verlangt, der Vortrag des Anspruchstellers muss aber geeignet sein, eine Bestimmung des angeblich haftungsbegründenden Sachverhalts vorzunehmen. Eine Aufrechnungserklärung, die die Darstellung der rechtlichen und faktischen Umstände enthält, auf die der geschädigte Dritte die Haftung des Mitversicherten für – hier auch konkret bezifferte – Schadenersatzforderungen stützt, ist der Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs gleichzuhalten.