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Freie Werknutzung bei einem Demonstrationsaufruf

 
 

Die Veröffentlichung eines Werkes als Zitat kann nach der Generalklausel des § 42f Urheberrechtsgesetz (UrhG) wegen der Ausübung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt sein, wobei eine Interessenabwägung vorzunehmen ist.

Der klagende Klub einer Parlamentspartei verwendete für seinen Aufruf zu einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung ein Lichtbild von ihrem Klubobmann. Ohne Rücksprache mit dem Kläger oder dem Fotografen wurde dieses Foto vom beklagten Verein für einen Aufruf zur Gegendemonstration in den sozialen Medien genützt, wobei das Foto mit dem Schriftzug „Nie wieder Faschismus!“ versehen wurde. Der Protest der beklagten Partei richtete sich dagegen, dass (nach ihrer Einschätzung) neben der Parlamentspartei auch „Neonazis“ auf die Straße gehen würden und die Parlamentspartei „offen mit Neonazis“ bei der Demonstration mobilisieren würde.

Der Fotograf übertrug der klagenden Partei exklusiv sämtliche im Zusammenhang mit dem Werk stehenden Rechte und Ansprüche.

Der Oberste Gerichtshof verneinte den geltend gemachten Unterlassungsanspruch, den der Kläger auf mehrere Normen des Urheberrechtsgesetzes stützte.

Demnach ist der Eingriff in den klägerischen Urheberrechts- bzw Leistungsschutz durch die beklagte Partei im politischen Meinungsstreit wegen § 42 f UrhG (Zitatrecht) im Zusammenhang mit dem Recht der freien Meinungsäußerung (Art 10 EMRK) gerechtfertigt.

Für die Zulässigkeit der Veröffentlichung der Lichtbilder als Bildzitat ist Voraussetzung, dass das in den Berichten jeweils wiedergegebene Bild Zitat- und Belegfunktion hatte. Ein nach § 42f UrhG zulässiges Bildzitat muss erkennbar der Auseinandersetzung mit dem übernommenen Werk dienen, etwa als Beleg oder Hilfsmittel der eigenen Darstellung. Es muss eine innere Verbindung zwischen dem eigenen und dem fremden Werk hergestellt werden. Die Nutzung des zitierten Werks gegenüber den Aussagen des Nutzers muss daher akzessorischer Natur sein. Das Zitat eines geschützten Werks darf zudem nicht so umfangreich sein, dass es die normale Verwertung des Werks beeinträchtigt oder die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers ungebührlich verletzt werden. Im Rahmen dieser Prüfung ist auch zu berücksichtigen, ob die Verneinung der freien Werknutzung einem dringenden sozialen Bedürfnis im Sinne der Judikatur des EGMR zur Notwendigkeit eines Eingriffs in die Meinungsäußerungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft dient. Erforderlich ist eine Abwägung der vom Urheber oder seinem Werknutzungsberechtigten verfolgten Interessen mit dem Recht der freien Meinungsäußerung, wobei das Grundrecht ohne den Eingriff nur unzureichend ausgeübt werden können muss.

In Anwendung der referierten Grundsätze war der geltend gemachte Unterlassungsanspruch im Anlassfall zu verneinen.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 15.11.2024, 14:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/freie-werknutzung-bei-einem-demonstrationsaufruf/)

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