Ärztekammer klagt Arzt erfolgreich auf Unterlassung der Berufsbezeichnung „Primarius“
Die Berufsbezeichnung „Primararzt“ oder „Primarius“ dürfen nur Fachärzte unter der Voraussetzung führen, dass sie in Krankenanstalten dauernd mit der ärztlichen Leitung einer Krankenabteilung, die mindestens 15 systemisierte Betten aufweist, betraut sind, und ihnen mindestens ein Arzt unterstellt ist.
Der Beklagte ist Facharzt für Unfallchirurgie. Er ist für ein Krankenhaus tätig, das als von der zuständigen Landesregierung bewilligte Krankenanstalt in Form eines Sanatoriums mit 120 systemisierten Normbetten geführt wird. Eine sanitätsbehördliche Bewilligung für die Schaffung von Abteilungen (Stationen) besteht für das Krankenhaus nicht. Die Anstaltsordnung des betroffenen Krankenhauses führt 14 als „Einrichtung“ bezeichnete Aufgabenbereiche an, denen jedoch keine bestimmte systemisierte Bettenanzahl zugeordnet ist. Der Beklagte leitet die Einrichtung Handchirurgie, wobei ihm von der Krankenhausleitung 15 Betten zugesagt sind, die sich schwerpunktmäßig auf den Stationen 2A und 2B befinden. Sind in diesen Stationen keine Betten frei, muss der Beklagte, falls er Betten benötigt, seine Patienten auch auf anderen Stationen unterbringen. Freigehalten werden die 15 Betten für den Beklagten nicht. In seinem Fachbereich sind dem Beklagten alle Stationsärzte des Hauses untergeordnet, und er muss sich neben medizinischen auch um organisatorische und administrative Dinge kümmern.
Die Berufsbezeichnung „Primararzt“ oder „Primarius“ dürfen nur Fachärzte unter der Voraussetzung führen, dass sie in Krankenanstalten dauernd mit der ärztlichen Leitung einer Krankenabteilung, die mindestens 15 systemisierte Betten aufweist, betraut sind, und ihnen mindestens ein Arzt unterstellt ist (§ 43 Abs 6 ÄrzteG). Der Beklagte führt die Berufsbezeichnung „Primar“ auf Schriftstücken, Visitenkarten und auf seinem Ordinationsschild. Er nahm keine Einsicht in die im Krankenhaus aufliegende Anstaltsordnung und vergewisserte sich nicht, ob darin dem Fachbereich Handchirurgie 15 Betten zugeordnet sind; er holte weder bei der Ärztekammer noch bei der Sanitätsabteilung der Landesregierung Erkundigungen darüber ein, ob er zur Führung der Berufsbezeichnung „Primararzt/Primarius“ berechtigt sei.
Auf Grund von Beschwerden von Kollegen des Beklagten, die den Titel Primararzt nicht führen und sich dadurch gegenüber dem Beklagten benachteiligt sahen, erhob die Ärztekammer des betroffenen Bundeslandes eine Klage wegen Wettbewerbsverletzung und warf dem Beklagten vor, er erfülle in seiner Person die Voraussetzungen zur Führung des in Anspruch genommenen Berufstitels nicht, verstoße gegen das ÄrzteG und verschaffe sich dadurch einen sittenwidrigen Vorsprung im Wettbewerb zum Nachteil gesetzestreuer Mitbewerber.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte die der Klage stattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen. Unter „Krankenabteilung“ im Sinne des § 43 Abs 6 ÄrzteG ist die bettenführende Organisationseinheit „Abteilung“ einer Krankenanstalt zu verstehen, die sanitätsbehördlich bewilligt und in der Anstaltsordnung angeführt sein muss; der bloße „Zuständigkeitsbereich“ eines Facharztes in einer Krankenanstalt fällt nicht darunter. Der Gesetzesverstoß ist dem Beklagten auch vorzuwerfen: Hätte er sich entweder selbst mit den einschlägigen Bestimmungen des Krankenhausrechts befasst oder fachkundige Auskunft dazu eingeholt, hätte er leicht erkennen können, dass der Zuständigkeits- oder Fachbereich eines Facharztes in einer Krankenanstalt einer Krankenabteilung im Sinne des § 43 Abs 6 ÄrzteG nicht gleichgehalten werden kann. Dass die Rechtsauffassung des Beklagten unvertretbar ist, ergibt sich auch schon daraus, dass bei Gleichstellung der Begriffe „Fachbereich“ und „Krankenabteilung“ das Krankenhaus über 14 Primarärzte verfügen würde, womit bei insgesamt nur 120 systemisierten Betten jedenfalls die erforderliche Zahl von 15 Betten pro Primararzt nicht erreicht würde.