Amtshaftung für Entscheidungen eines befangenen Richters
Richter sind verpflichtet, Umstände, die sie von ihrer Amtsausübung ausschließen oder die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen (etwa persönliche Beziehungen zu einer Partei), unverzüglich anzuzeigen. Verletzt ein Richter diese Pflicht, kommt ein Amtshaftungsanspruch einer Verfahrenspartei für die durch die unterlassene Selbstmeldung verursachten Verfahrenskosten in Betracht.
Der Kläger stellte als Partei eines Pflegschaftsverfahrens ohne Erfolg zahlreiche Ablehnungsanträge gegen die Pflegschaftsrichterin und den darüber entscheidenden Vorsteher des Bezirksgerichts. Über einen im Jahr 2017 eingebrachten Ablehnungsantrag erklärte das Rechtsmittelgericht im Ablehnungsverfahren den Vorsteher des Bezirksgerichts (nicht aber die Pflegschaftsrichterin) für befangen, weil der Vorsteher und die Pflegschaftsrichterin einander im Laufe des Jahres 2015 privat näher gekommen waren und seither eine Beziehung führten; es konnte aber nicht festgestellt werden, „wann genau im Jahr 2015 dieses private Verhältnis begonnen“ hat.
Der Kläger begehrte aus dem Titel der Amtshaftung vom Bund Schadenersatz für Verfahrenskosten, insbesondere weil dann, wenn der Vorsteher oder die Pflegschaftsrichterin ihre private Beziehung im Rahmen der gebotenen Selbstanzeige offengelegt hätten, sich die „Kaskade“ von Ablehnungsanträgen erübrigt hätte.
Das Erstgericht sprach dem Kläger einen Teil der geltend gemachten Kosten zu, und zwar für Rechtsmittel ab dem Jahr 2016 gegen die Entscheidungen des Vorstehers über die Ablehnung der Pflegschaftsrichterin sowie für Ablehnungsanträge gegen den Vorsteher.
Das Berufungsgericht hob diesen Zuspruch auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung darüber auf, weil Feststellungen fehlten, ob und inwieweit das Unterlassen der gebotenen Befangenheitsanzeige durch den Gerichtsvorsteher einen ersatzfähigen Mehraufwand des Klägers bewirkt habe.
Über Rekurs des Klägers bestätigte der Oberste Gerichtshof diese Entscheidung.
Im Amtshaftungsprozess muss der Geschädigte nicht bloß die Rechtsverletzung durch das Organ behaupten und beweisen, sondern auch, dass ihm der geltend gemachte Schaden ohne diese Rechtsverletzung nicht erwachsen wäre. Eine Unterlassung ist dann für den Schadenserfolg kausal, wenn die Vornahme einer bestimmten aktiven Handlung das Eintreten des Erfolgs verhindert hätte.
Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es darauf an, ob ihm die geltend gemachten Verfahrenskosten auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Organs entstanden wären. § 22 Gerichtsorganisationsgesetz und § 182 Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz haben zwar Schutzgesetzcharakter zugunsten der Verfahrensparteien. Die Befangenheit eines Entscheidungsorgans begründet für sich allein aber noch keinen Amtshaftungsanspruch. Es muss auch die Entscheidung eines solchen Richters inhaltlich unrichtig sein.
Insoweit ist ein Anscheinsbeweis nicht zulässig: Aus der Tatsache, dass ein (zumindest dem äußeren Anschein nach) befangener Richter entschieden hat, ergibt sich nicht typischerweise, dass diese Entscheidung auch unrichtig war, zumal eine subjektive Befangenheit des Richters gar nicht vorliegen muss, um den Anschein einer objektiven Befangenheit anzunehmen. Der Kläger hat daher zu behaupten und (mit überwiegender Wahrscheinlichkeit) zu beweisen, dass die geltend gemachten Kosten bei gebotenem Verhalten – Selbstmeldung des Gerichtsvorstehers und Entscheidung durch einen unbefangenen Richter – nicht entstanden wären. Um diese Frage abschließend beurteilen zu können, fehlt es sowohl an ausreichendem Vorbringen des Klägers als auch an Feststellungen.