Amtshaftung für gesetzwidrige COVID-19-Maßnahmen im Frühjahr 2020?
Kein Amtshaftungsanspruch einer betroffenen Unternehmerin gegenüber dem Bund infolge Gesetzwidrigkeit von Bestimmungen der in der ersten Phase der Pandemie erlassenen COVID-19-Maßnahmenverordnung, weil der Verfassungsgerichtshof mangels entsprechender Dokumentation im Verordnungsakt nicht beurteilen konnte, welche Umstände im Hinblick auf welche Entwicklungen von COVID-19 den Gesundheitsminister bei seiner Entscheidung geleitet haben.
Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnissen vom Oktober 2020 (V 405/2020), März 2021 (V 530/2020) und September 2021 (V 188/2021 ua) Bestimmungen der bis Ende April 2020 geltenden COVID-19-Maßnahmenverordnung als gesetzwidrig auf, weil aus den ihm vorgelegten Verordnungsakten nicht nachvollziehbar war, auf Grund welcher tatsächlichen Umstände der Gesundheitsminister die jeweilige Maßnahme für erforderlich gehalten hat.
Die klagende Unternehmerin begehrte im Wege der Amtshaftung vom Bund den Ersatz des Verdienstentgangs, der ihr durch das gesetzwidrige Verbot des Betretens ihrer Gastgewerbebetriebe und ihrer Betriebsstätten des Bekleidungs- und Sportartikelhandels im Zeitraum 16. 3. bis 19. 4. 2020 entstanden sei. Sie argumentierte, das Unterlassen jeglicher Begründung für die angeordneten Maßnahmen im Verordnungsakt sei schuldhaft erfolgt.
Die Vorinstanzen werteten das Vorgehen des Gesundheitsministers bei Erlassung der rechtswidrigen Bestimmungen der Verordnungen als vertretbar und wiesen das Klagebegehren deshalb ab.
Der Oberste Gerichtshof teilte diese Rechtsansicht.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, aus der Vorjudikatur des Verfassungsgerichtshofs sei nicht zwingend abzuleiten gewesen, dass in jedem Fall eine vorhandene Dokumentation auch in den Verordnungsakt aufgenommen werden müsse, um eine Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof zu gewährleisten, weil dieser Dokumente außerhalb des Verordnungsakts bei seiner Prüfung nicht in Betracht ziehe; eine diesbezügliche Klarstellung hätten erst die im vorliegenden Fall ergangenen Erkenntnisse gebracht, ist nicht korrekturbedürftig. Die beanstandeten Bestimmungen waren zeitlich davor erlassen worden und bereits mit Ablauf des 30. 4. 2020 außer Kraft getreten, sodass der Gesundheitsminister die nunmehrige Klarstellung in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht berücksichtigen konnte.
Überdies musste die COVID-19-Maßnahmenverordnung in der ersten Phase der weltweiten Pandemie unter besonderem Zeitdruck erarbeitet werden. Gerade dann, wenn der Gesundheitsminister rasche Entschlüsse in einer nur schwer durchschaubaren Situation fassen muss, kann nicht schon jedes – im Nachhinein als rechtswidrig erkanntes – Verhalten auch schon als schuldhaft beurteilt werden.
Damit besteht mangels Verschuldens des Gesundheitsministers kein Amtshaftungsanspruch.