Amtshaftung wegen Verletzung von Vorschriften des Verlassenschaftsverfahrens
Die Verpflichtung zur Übermittlung der unbeglaubigten Abschrift einer aktenkundigen letztwilligen Anordnung an die gesetzlichen Erben (§ 152 Absatz 2 Außerstreitgesetz) und die Verpflichtung, die nach der Aktenlage als Erben in Betracht kommenden Personen zur Abgabe einer Erbantrittserklärung aufzufordern (§ 157 Außerstreitgesetz), dienen der Wahrung des rechtlichen Gehörs möglicher Erben im Verlassenschaftsverfahren und damit der Verhinderung einer materiell falschen Einantwortung. Schäden aufgrund einer solchen Einantwortung stehen daher im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Verletzung dieser Pflichten.
Die Kläger sind gesetzliche Erben nach einem Verstorbenen. Dessen Nachlass wurde seiner vormaligen Pflegerin aufgrund einer handschriftlichen Verfügung eingeantwortet, die der Gerichtskommissär und der Verlassenschaftsrichter als Testament werteten, ohne dass die damals bereits aktenkundigen gesetzlichen Erben (darunter auch zwei der Kläger) zur Abgabe einer Erbantrittserklärung aufgefordert worden wären oder ihnen nach Zustellung einer Abschrift der Verfügung ausreichend Zeit zur Abgabe einer Erbantrittserklärung gewährt worden wäre. Im Verfahren über die Erbschaftsklage wurde die Pflegerin zur Zahlung von mehr als 1,5 Mio EUR an die gesetzlichen Erben verurteilt. Dieser Betrag war allerdings großteils uneinbringlich.
Die Kläger begehren aus dem Titel der Amtshaftung vom Bund die Zahlung der ihnen im Erbschaftsprozess zugesprochenen, gegenüber der Pflegerin uneinbringlichen Beträge. Der Gerichtskommissär und der Verlassenschaftsrichter hätten den gesetzlichen Erben in Missachtung insbesondere des § 157 Absatz 1 Außerstreitgesetz jede Möglichkeit genommen, eine Erbantrittserklärung abzugeben.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab, weil sowohl der Gerichtskommissär als auch der Verlassenschaftsrichter davon ausgehen hätten dürfen, dass die handschriftliche Verfügung des Verstorbenen ein unbedenkliches formgültiges Testament sei, und daher die gesetzlichen Erben nicht zur Abgabe einer Erbantrittserklärung aufzufordern waren.
Der Oberste Gerichtshof teilte diese Auffassung nicht und gab den Revisionen der zwei im Verlassenschaftsverfahren bereits aktenkundigen Kläger Folge.
Lässt eine Verfügung – wie hier – konkrete Zweifel am Vorliegen eines Testierwillens des Verstorbenen und an einer Erbeinsetzung aufkommen, weil mit keinem Wort der Tod des Erklärenden für die Erfüllung der Verfügung vorausgesetzt wird und die Verfügung ausdrücklich „den Zweck der Betreuungen in der eigenen Wohnung erfüllen und nach dem Ermessen [der Pflegerin] angewendet werden“ soll, was eher auf eine Vollmacht hindeutet, liegt keinesfalls ein unbedenkliches Testament vor. Nach § 157 Absatz 1 Außerstreitgesetz wären daher die nach der Aktenlage als Erben in Frage kommenden Personen nachweislich zu einer Erbantrittserklärung aufzufordern gewesen.
Außerdem vereitelten die Organe der Beklagten durch die forcierte und sofortige Einantwortung der Pflegerin den Zweck des § 152 Absatz 2 Außerstreitgesetz, den gesetzlichen Erben durch die Übermittlung des Testaments dessen Bekämpfung im Verfahren über das Erbrecht zu ermöglichen.
Die verletzten Verfahrensbestimmungen schützen allerdings nur die bereits im Verlassenschaftsverfahren aktenkundigen (potentiellen) Erben. Der Bund haftet daher nur diesen für den entstandenen Schaden. Hingegen steht der Schaden der damals noch unbekannten Erben nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang zum Verstoß gegen § 157 Absatz 1 Außerstreitgesetz bzw § 152 Absatz 2 Außerstreitgesetz.