Anordnung einer Bedarfsmedikation während eines Heimaufenthalts
Die ärztliche Anordnung eines eine Freiheitsbeschränkung herbeiführenden Medikaments ohne dessen tatsächliche Verabreichung ist für sich allein noch keine Freiheitsbeschränkung. Sofern aber mit der Anordnung eines Medikaments beim Heimbewohner ein bestimmtes freiheitsbeschränkendes Verhalten veranlasst wird oder dieser den Eindruck gewinnen muss, keine andere Möglichkeit zu haben, als ein bestimmtes gewünschtes Verhalten zu setzen, andernfalls das Medikament verabreicht wird, liegt eine Freiheitsbeschränkung vor.
Einer 76-jährigen Bewohnerin wurde ein bestimmtes Medikament verschrieben, das bei „Agitiertheit, delirantem Erscheinungsbild“ und Schlaflosigkeit in der Nacht verabreicht werden sollte. Bei älteren Patienten ist mit diesem Medikament eine Reduzierung des Bewegungsdrangs möglich.
Strittig vor dem Obersten Gerichtshof war, ob diese Bedarfsmedikation in einem Zeitraum, in dem sie nicht verabreicht wurde, als (angedrohte) Freiheitsbeschränkung anzusehen ist oder nicht. Der Oberste Gerichtshof teilte die Rechtsansicht des Gerichts zweiter Instanz, dass in der bloßen Anordnung des Medikaments keine Freiheitsbeschränkung liegt. Nach den getroffenen Feststellungen wurde die Bewohnerin, die an Demenz leidet, durch die angeordnete Bedarfsmedikation nicht zu einem bestimmten Verhalten veranlasst. Ihr wurde nicht der Eindruck vermittelt, dass ihr das Medikament jederzeit zur Unterbindung ihres Unruhezustands verabreicht wird und sie zur Vermeidung der Verabreichung ein gewünschtes Verhalten setzen muss.