Anrechnung ungewidmeter Zahlungen im Strafrecht
Die Judikatur, wonach ungewidmete Zahlungen für den Bereich des Strafrechts in der Regel auf die mit Strafsanktion bewehrte Schuld anzurechnen sind, ist in Bezug auf exekutiv erlangte Beträge nicht anwendbar.
Das Erstgericht verurteilte die Angeklagte wegen mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung zu einer Geldstrafe und für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer bedingt nachgesehenen Ersatzfreiheitsstrafe. Der Schuldspruch betraf USt-Verkürzungen in den Jahren 1997 bis 2001. Die Finanzbehörde hatte in diesem Zeitraum Abgabenrückstände aus früheren Jahren im Exekutionsweg eingetrieben.
Der OGH wies die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten zurück.
Betreffend die Frage nach der Anrechnung ungewidmeter Zahlungen hielt der OGH fest, dass die zu § 114 ASVG (jetzt § 153c StGB) hinsichtlich der Anrechnung von Zahlungen entwickelte Judikatur in Fällen wie dem hier entschiedenen nicht anwendbar ist. Jene Rechtsprechung leitet aus der Bestimmung des § 1416 ABGB ab, dass ungewidmete Zahlungen im Bereich des Strafrechts auf die für den Schuldner insoweit beschwerlichste, demgemäß in der Regel auf die mit einer Strafsanktion bewehrte Schuld anzurechnen ist. Liegt aber eine Zahlungswidmung vor, bleibt für die Anwendung dieser Zweifelsregel kein Raum. Dies gilt ebenso in Bezug auf Exekutionsverfahren, wo eine exakt determinierte Forderung betrieben wird, also gerade kein Zweifel darüber besteht, welche Schuld die dabei realisierten Beträge tilgen sollen.
Zur Ersatzfreiheitsstrafe legte der OGH dar, dass deren – im Gesetz gar nicht vorgesehene – bedingte Nachsicht verfehlt gewesen ist. Wird nämlich die primär ausgesprochene Strafe bedingt aufgeschoben, kann die Ersatzfreiheitsstrafe bis zum Widerruf ohnedies nicht vollzogen werden. In den Fällen der Verhängung einer unbedingten Primärsanktion oder des Widerrufs einer bedingten Nachsicht wiederum wäre es in sich widersprüchlich, bei Unvollstreckbarkeit die substituierende Unrechtsfolge nicht zu vollziehen.