Auch eine Eigentumsfreiheitsklage gegen einen Bauführer kann an einer missbräuchlichen Rechtsausübung scheitern
Bei Beurteilung der Frage, ob dem Grundeigentümer mit seiner Klagsführung eine missbräuchliche Rechtsausübung vorgeworfen werden kann, ist dessen Interesse, die Räumung des vom Bauführer in Anspruch genommenen Grundstücksteils zu erwirken, bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen grundsätzlich besonders zu gewichten.
Die Streitteile sind Grundstücksnachbarn und Brüder. Der Kläger ließ in Erfüllung eines zwischen den Streitteilen geschlossenen gerichtlichen Vergleichs eine Abgrenzungsmauer zum Grundstück des Beklagten errichten. Den Standort wählte er dabei so, dass die Mauer sich ca 5 bis 10 cm von der Grenze eingerückt zur Gänze auf seiner Liegenschaft befindet. Schon während der Rohbauphase errichtete der Beklagte seinerseits entlang dieser Mauer ein Hochbeet in Massivbauweise, das aufgrund der vom Kläger gewählten eingerückten Situierung der Mauer nun geringfügig in den Reststreifen des klägerischen Grundstücks ragt. Zwischen dem gemauerten Hochbeet und der klägerischen Grenzmauer befindet sich eine angestellte Dämmung aus einer Lage Styroporplatten.
Der Kläger begehrte, dem Beklagten die Entfernung des über die Grundstücksgrenze reichenden Teils des Hochbeets und die Unterlassung jeder Nutzung und Inanspruchnahme seiner Liegenschaft aufzutragen, in eventu die Unterlassung jedweder Nutzung bzw Inanspruchnahme der in seinem Alleineigentum stehenden Abgrenzungsmauer.
Das Hauptbegehren wurde mit Teilurteil des Berufungsgerichts (wegen schikanöser Rechtsverfolgung) abgewiesen. Diese Entscheidung wurde vom Kläger nicht angefochten und ist daher in Rechtskraft erwachsen.
Mit dem hier bekämpften Endurteil wiesen die Vorinstanzen auch das Eventualbegehren ab.
Der Oberste Gerichtshof billigte diese Entscheidung und führte aus:
Rechtsmissbrauch liegt nicht nur dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet (Schikane im engeren Sinn), sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht und das Interesse des Rechtsausübenden an der Wiederherstellung des ehemaligen Zustands gegenüber den Interessen des Beklagten auf Belassung des gegenwärtigen Zustands völlig in den Hintergrund tritt (missbräuchliche Rechtsausübung).
Zur Beurteilung, ob die Klageführung rechtsmissbräuchlich ist, bedarf es daher einer Abwägung der beiderseitigen Interessen. Dass bei einer derartigen Interessenabwägung dem Umstand, dass es dem Kläger um die Verteidigung seines Eigentumsrechts geht, erhebliches Gewicht zukommt, bedarf keiner Erörterung. Andererseits entspricht es aber der Rechtsprechung, dass auch die Verfolgung des Eigentumsrechts durch das Verbot missbräuchlicher Rechtsausübung beschränkt werden kann. Auch bei einem geringfügigen Grenzüberbau kann daher der Einwand des Rechtsmissbrauchs des Bauführers berechtigt sein, wenn eine Verhaltensweise des Grundnachbarn vorliegt, die weit überwiegend auf eine Schädigung des Bauführers abzielt, und wenn die Wahrung und Verfolgung der sich aus der Freiheit des Eigentums ergebenden Rechte deutlich in den Hintergrund tritt. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrmals ausgesprochen, dass bei der Beurteilung des Einwands des Rechtsmissbrauchs der subjektiven Seite des Bauführers erhebliche Bedeutung zukommt, weshalb bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen einem allenfalls bewusst rechtswidrigem Verhalten beträchtliches Gewicht beigemessen werden muss.
Im Anlassfall wurde gerade das auf Räumung gerichtete Hauptbegehren des Klägers abgewiesen, ohne dass der Kläger dieses abweisende Urteil des Berufungsgerichts bekämpft hat. Gegenstand des Eventualbegehrens ist nur mehr die nicht bereits vom Hauptbegehren umfasste Inanspruchnahme der Mauer des Klägers, die aber – wie das Erstgericht unbekämpft festgestellt hat – ausschließlich darin besteht, dass die Mauer als Stütze für die vom Beklagten zwischen dem Hochbeet und der Mauer angebrachten Styroporplatten dient, wobei ein wie immer gearteter Eingriff in die Substanz der Mauer (etwa durch Verschrauben) nicht einmal behauptet wurde. Das (vom abgewiesenen Hauptbegehren nicht erfasste) Interesse an der Beseitigung dieser „Inanspruchnahme“ ist aber weitaus weniger gewichtig als das Interesse an der Räumung seines Grundstücksstreifens, das vom Kläger aber selbst als nicht zur Rechtfertigung seiner Rechtsverfolgung ausreichend angesehen wurde.