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Aufhebung eines Schiedsspruchs in Sachen D. S*** KG

 
 

Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft nach österreichischem Recht. In ihrem Gesellschaftsvertrag wurde bei den Regelungen über die Gesellschafterversammlung vereinbart, dass für die Anfechtung von Versammlungsbeschlüssen die §§ 40 bis 44 GmbHG entsprechend gelten. Weiters wurde im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass für die entsprechenden Streitigkeiten ausschließlich ein Schiedsgericht zuständig ist; und zwar nach Maßgabe einer gesondert vereinbarten Schiedsgerichtsordnung.

In einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Klägerin am 30. 10. 2020 wurden ua ihr Haftkapital von derzeit EUR 50 Mio auf EUR 400 Mio erhöht und der Beitritt einer neuen Kommanditistin genehmigt.

In einem von 19 Gesellschaftern gegen die Klägerin angestrengten Schiedsverfahren über die Wirksamkeit dieser Beschlüsse stellte das Schiedsgericht mit seinem Schiedsspruch vom 21. 9. 2022 fest, dass die angefochtenen Beschlüsse unwirksam und nichtig seien.

Die Klägerin als die in den Schiedsverfahren beklagte Gesellschaft begehrt vor dem Obersten Gerichtshof die Aufhebung des Schiedsspruchs. Neben anderen Aufhebungstatbeständen des § 611 ZPO liege hier § 611 Abs 2 Z 7 ZPO vor, weil der Gegenstand des Rechtsstreits (nämlich eine Beschlussmängelstreitigkeit bei einer Personengesellschaft) ohne hinreichende Beteiligung aller Gesellschafter nicht objektiv schiedsfähig sei.

Die 19 beklagten Gesellschafter stehen auf dem Standpunkt, dass sich aus dem Klagsvorbringen kein Aufhebungsgrund ableiten lasse.

Am 3.4.2024 fand vor dem Obersten Gerichtshof eine Tagsatzung zur öffentlichen Verhandlung statt. Mit dem dabei mündlich verkündeten Urteil wurde der Klage stattgegeben und der Schiedsspruch mangels objektiver Schiedsfähigkeit nach § 611 Abs 2 Z 7 ZPO aufgehoben.

In der schriftlichen Urteilsausfertigung hielt der Senat fest, dass die objektive Schiedsfähigkeit nur dann gegeben ist, wenn der Staat sein Rechtsprechungsmonopol zugunsten einer privatautonomen, außerstaatlichen Konfliktlösung freigegeben hat und schiedsgerichtliche Entscheidungen duldet. Aus der objektiven Schiedsfähigkeit eines Anspruchs ergibt sich somit, ob dieser Gegenstand einer Schiedsvereinbarung und damit eines Schiedsverfahrens sein kann.

Im Fall der grundsätzlichen Zulässigkeit der gesellschaftsvertraglichen Zuweisung der Passivlegitimation zur Gesellschaft sind zusätzliche Anforderungen an die Schiedsvereinbarung zu stellen, um den erforderlichen Rechtsschutz der Gesellschafter zu gewährleisten. Erst die Erfüllung der Mindestvoraussetzungen kann zur Erstreckung der Urteilswirkungen führen. Das Schiedsverfahren ist in seiner Gesamtheit an den Grundsätzen des fairen Verfahrens iSd Art 6 EMRK zu messen. Prüfungsmaßstab sind damit die Mindesterfordernisse eines fairen Verfahrens, wie sie sich aus den unverzichtbaren (Teil-)Garantien des Art 6 Abs 1 EMRK und jenen Wertungen ergeben, die auch dem Verfahren vor den staatlichen Gerichten zugrunde liegen. Die Gesellschafter müssten daher in ausreichendem Maß und rechtzeitig in das Schiedsverfahren eingebunden werden, um diese grundrechtlich gesicherten prozessualen Rechte nach Art 6 EMRK gewährleisten zu können. Den Gesellschaftern müsste die Möglichkeit gegeben werden, ihre Rechte und Interessen bereits im Stadium der Bildung des Schiedsgerichts wahrzunehmen. Alle Gesellschafter wären insbesondere so zeitgerecht in das Schiedsverfahren einzubeziehen, dass sie sich an der Auswahl der Schiedsrichter und Konstituierung des Schiedsgerichts beteiligen können. Diese Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte sämtlicher Gesellschafter müssten zudem bereits ex ante in der Schiedsvereinbarung verankert werden. Diese prozessualen Rechte wären also durch die entsprechende Gestaltung der Schiedsvereinbarung zu gewährleisten und könnten nicht der tatsächlichen Gestaltung des Schiedsverfahrens überlassen bleiben.

Die hier zu beurteilende Regelung im Gesellschaftsvertrag wird diesen Mindestanforderungen nicht gerecht. Die für eine allfällige Wirkungserstreckung des Schiedsspruchs (auf die am Verfahren nicht beteiligten Gesellschafter) jedenfalls vorausgesetzte Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte sind nicht durch eine entsprechende Gestaltung der Schiedsvereinbarung gewährleistet. Ist die Schiedsvereinbarung nicht entsprechend diesen Mindestanforderungen ausgestaltet, ist die objektive Schiedsfähigkeit des Anspruchs nicht gegeben. Die mangelnde Schiedsfähigkeit ist in einem Aufhebungsverfahren von Amts wegen wahrzunehmen (§ 611 Abs 3 ZPO), der dennoch ergangene Schiedsspruch ist gemäß § 611 Abs 2 Z 7 ZPO aufzuheben.

 

Link zum RIS

 

 
ogh.gv.at | 15.11.2024, 12:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/aufhebung-eines-schiedsspruchs-in-sachen-d-s-kg-2/)

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