Aufklärungspflicht von Banken bei Auszahlung eines hohen Geldbetrags
Banken sind gegenüber einem Kunden, der am Kassenschalter die Auszahlung eines hohen Geldbetrags verlangt, zur Aufklärung über die damit verbundene Gefahr und zum Anbot von weniger risikoträchtigen Auszahlungsmöglichkeiten (wie Überweisung des Geldbetrags; Barauszahlung in einem uneinsehbaren Geschäftsraum) verpflichtet.
Ein damals 82-jähriger Kunde der beklagten Bank löste am 11. 11. 2002 in einer deren Filialen ein Sparbuch auf und ließ sich am Kassenschalter das Guthaben von 14.098,53 EUR auszahlen. Noch im Geschäftsraum der Bank wurde er von einem unbekannten Dieb bestohlen. Seine Erben begehrten unter Anerkennung einer Mitverantwortlichkeit des Bestohlenen von 50 % Schadenersatz in der Höhe der Hälfte dieses Betrags mit der wesentlichen Begründung, dass die Bank bei Barabhebungen (größeren Ausmaßes) zur Verhinderung des Ausspähens durch Kriminelle für einen Sichtschutz im Schalterraum, eine Hauszustellung durch einen Sicherheitswachedienst oder den Einbau von Sicherheitstüren hätte sorgen müssen. Nach der Judikatur des OGH bestehe eine Warnpflicht sowie die Pflicht, eine „diskrete“ Auszahlung zu ermöglichen. Das sei dem Bankkunden nicht angeboten worden. Die Bank wendete ein, eine Barabhebung sei wegen der Möglichkeit einer Überweisung nicht notwendig gewesen. Ihr Kunde habe sorglos und „diebstahlsfördernd“ das Geld in die Manteltasche gesteckt. Eine Warnpflicht sei nicht verletzt worden, weil die Gefahr des Ausspähens bei der Geldauszahlung für jedermann erkennbar gewesen sei. Im Hinblick auf das Verschulden des Kunden sei ein allfälliges leichtes Verschulden der Bank zu vernachlässigen.
Die beiden Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.
Dem gegenüber verurteilte der Oberste Gerichtshof die Bank zur Zahlung des verlangten Betrags. Er bejahte eine Sorgfaltspflicht im Sinne einer „grundsätzlichen Verpflichtung zur Ermöglichung einer diskreten Auszahlung hoher Geldbeträge“, wie dies schon in der Vorentscheidung 6 Ob 77/05z formuliert worden war. Das Aufstellen von Überwachungskameras vermochte die Bank nicht von der Schutzpflichtverletzung zu entlasten. Über Alternativen zur verlangten Barauszahlung wäre aufzuklären gewesen, weil diese Alternativen auch dem verständigen Durchschnittskunden nicht unbedingt bekannt sein mussten.