Auskunftsverlangen der Bundeswettbewerbsbehörde
Erste Entscheidung zu einem auf § 11 Abs 5 Wettbewerbsgesetz gestützten Auskunftsverlangen der Bundeswettbewerbsbehörde gegenüber Unternehmen im Zug einer allgemeinen Untersuchung eines Wirtschaftszweigs.
Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) führt allgemeine Ermittlungen betreffend den Lebensmittelhandel durch, weil Medienberichterstattung und anonyme Beschwerden vermuten ließen, dass es in diesem Wirtschaftszweig insbesondere auf Grund der Ausgestaltung der Geschäftsbeziehung (Forderung von Sonderleistungen, differenzierte Gewährung von Konditionen und Rabatten ua) zu Einschränkungen oder Verfälschungen des Wettbewerbs komme. Sie hat an eine Reihe repräsentativer Marktteilnehmer (Lieferanten) Auskunftsverlangen gem § 11 Abs 3 Z 1 Wettbewerbsgesetz (WettbG) gerichtet. Mit der Behauptung, der Antragsgegner habe seit mehr als drei Monaten Kenntnis vom Inhalt der geforderten Auskünfte, habe die gestellten Fragen jedoch bislang nicht vollständig beantwortet, beantragt die BWB, das Kartellgericht möge dem Antragsgegner gem § 11 Abs 5 Kartellgesetz (KartG) auftragen, Auskünfte zu den in Beilage angeführten Fragen zu erteilen und die darin genannten Unterlagen unter Setzung einer angemessenen Frist aufzutragen; die Fragen beträfen Informationen, die für die Durchführung der dargestellten Untersuchung unerlässlich seien.
Das Kartellgericht hat dem Antrag ohne Anhörung der Antragsgegnerin stattgegeben.
Der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht hat diese Entscheidung aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Einholung einer Stellungnahme des Antragsgegners und der Amtspartei Bundeskartellanwalt und danach allenfalls erforderlicher Durchführung von Erhebungen an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit der Antragstellung bei Gericht hat ein selbständiges Verfahren über Berechtigung und Umfang eines Auskunftsantrags begonnen, in dem dem Antragsgegner vor der Entscheidung jedenfalls rechtliches Gehör zu gewähren ist. Dem Antragsgegner steht der Einwand offen, die verlangten Auskünfte seien zur Gänze oder zum Teil nicht zur Wahrnehmung der Aufgaben der BWB erforderlich, ebenso der Einwand, er habe die Fragen bereits zur Gänze oder zum Teil beantwortet. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist eine Abwägung der wechselseitigen Interessen vorzunehmen, nämlich einerseits der Interessen der BWB, die ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben wahrnehmen zu können, und andererseits die Interessen des betroffenen Unternehmens, nicht über Gebühr in Anspruch genommen zu werden. Dass es sich bei den angeforderten Informationen um Geschäftsgeheimnisse handelt, begründet im Regelfall kein Auskunftsverweigerungsrecht, soweit ausreichende Sicherheit vor Preisgabe und unbefugter Verwertung der betreffenden Informationen gewährleistet ist.