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Auslösung des Frühwarnsystems bei Massenkündigungen

 
 

Der Oberste Gerichtshof stellt klar, dass das Frühwarnsystem bei Massenkündigungen im Hinblick auf arbeitsmarktpolitische Vorkehrungen schon bei entsprechender Absicht des Arbeitgebers ausgelöst wird.

Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, die regionale AMS-Geschäftsstelle schriftlich zu verständigen, wenn sie – bei Betrieben mit 100 bis 600 Beschäftigten – beabsichtigen, die Arbeitsverhältnisse von mindestens 5 % der Arbeitnehmer innerhalb eines Zeitraumes von 30 Tagen aufzulösen (Frühwarnsystem gemäß § 45a AMFG).

Bei der Beklagten waren in den Monaten vor der Kündigung des Klägers 119 Mitarbeiter beschäftigt, unter Berücksichtigung der am selben Standort tätigen Holding-Gesellschaft 131 Mitarbeiter. Die Beklagte beabsichtigte Ende Oktober 2013, sich von sieben Mitarbeitern zu trennen und bot ihnen deshalb einvernehmliche Auflösungen der Dienstverhältnisse mit einem „Frühabschlussbonus“ bis 20.11.2013 an. Andernfalls würden Kündigungen erfolgen. Ein Mitarbeiter nahm das Angebot an, zwei Mitarbeiter wurden am 28.11.2013 und vier Mitarbeiter, ua der Kläger, am 19.12.2013 gekündigt. Eine Verständigung des AMS erfolgte nicht.

Der Kläger machte die Unwirksamkeit seiner Kündigung geltend, weil die Beklagte das Frühwarnsystem gemäß § 45a AMFG nicht eingehalten habe.

Die Beklagte hielt dies für nicht erforderlich. Die Mitarbeiter der Holding-Gesellschaft seien organisatorisch Teil des Betriebes der Beklagten gewesen und daher mitzuzählen. Sie habe in einem Zeitraum von 30 Tagen nur vier Kündigungen ausgesprochen. Damit habe sie das Frühwarnsystem nicht ausgelöst.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung keine Folge. Es sei nicht erkennbar, dass die Beklagte beabsichtigt habe, die Kündigungen innerhalb eines 30-tägigen Zeitraums vorzunehmen. Daher sei jeweils auf den Zeitpunkt der Kündigungserklärungen bzw der einvernehmlichen Auflösung abzustellen. Im Zeitraum von 30 Tagen vor und nach der Kündigung des Klägers lägen nur sechs Kündigungen. Damit würde der Schwellenwert von 5 % nur dann überschritten, wenn er ohne die Mitarbeiter der Holding ermittelt würde. Da der Betrieb der Beklagten und der Holding nicht einem Unternehmen, sondern zwei eigenen Rechtssubjekten zuzuordnen sei, habe keine Zusammenrechnung zu erfolgen. Der Schwellenwert betrage danach 5,95 und sei mit sechs gekündigten Mitarbeitern knapp überschritten worden. Die Kündigung sei des Klägers daher unwirksam.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Berufungsentscheidung im Ergebnis, stellte aber klar, dass es auf die Absicht eines Arbeitgebers ankommt, eine den Schwellenwert überschreitende Anzahl von Arbeitsverhältnisses innerhalb von 30 Tagen aufzulösen. Dies betrifft sowohl Kündigungen als auch annahmebedürftige Anbote zu Aufhebungsverträgen (einvernehmliche Auflösungen). Die Absicht der Beklagten hat sich hier nicht erst mit den tatsächlichen Kündigungen, sondern spätestens mit der Unterbreitung der Angebote zu den einvernehmlichen Auflösungen mit Frühabschlussbonus binnen drei Wochen manifestiert, weil die Auflösung nur noch von der Annahme durch die Arbeitnehmer abhing. Schon damit bestand die Gefahr, der das Frühwarnsystem gemäß § 45a AMFG vorbeugen will, nämlich dass eine relevante Zahl von Arbeitnehmern innerhalb kurzer Zeit (30 Tage) den Arbeitsplatz verlieren und auf den Arbeitsmarkt freigesetzt werden konnte.

Wäre erst der tatsächliche Ausspruch der Kündigung oder die Einigung über eine einvernehmliche Auflösung relevant, bliebe kein Raum für die Anzeige einer erst beabsichtigten Beendigung innerhalb von 30 Tagen und für die an die Anzeige anknüpfende Wartefrist von ebenfalls mindestens 30 Tagen. Mit der Absicht zur Beendigung von sieben  Dienstverhältnissen überschritt die Beklagte den Schwellenwert daher unabhängig davon, ob die Mitarbeiter der Holdinggesellschaft mitzuzählen sind.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 15.11.2024, 12:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/ausloesung-des-fruehwarnsystems-bei-massenkuendigungen/)

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