Befassung des Kartellgerichts bei schon beendetem kartellrechtswidrigem Verhalten?
Klarstellung zu § 28 Abs 1 KartellG, dass das Kartellgericht – bei schon beendetem kartellrechtswidrigem Verhalten – nicht zur Lösung kartellrechtlicher Vorfragen als Grundlage der weiteren Verfolgung von Schadenersatzansprüchen zuständig ist.
Der Oberste Gerichtshof hat als Kartellobergericht klargestellt, dass ein berechtigtes Interesse an der Feststellung eines im Antragszeitpunkt schon beendeten kartellrechtswidrigen Verhaltens (§ 28 Abs 1 KartG 2005) nicht schon in der möglichen Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen liegt.
Eine derartige Möglichkeit lässt sich aus dem Gesetz nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit ableiten und stünde in einem Spannungsverhältnis zum sonst allgemein akzeptierten Grundsatz der Subsidiarität von Feststellungsklagen. Dazu kommt, dass die Ergebnisse eines kartellrechtlichen Abstellungs- oder Bußgeldverfahrens für einen individuellen Schadenersatzprozess nur von eingeschränkter Bedeutung sind: Während es bei der Abstellung von Missbräuchen oder der Verhängung von Geldbußen um eine gesamthafte Bewertung des Verhaltens des Antragsgegners geht, muss bei der Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche nachgewiesen werden, dass gerade der geltend gemachte Schaden durch einen Kartellverstoß verursacht wurde. Auch ist nach § 39 Abs 2 KartG die Akteneinsicht (etwa in Akten eines Vorprozesses) nur mit Zustimmung aller Verfahrensparteien zulässig.
Eine Verlagerung der Prüfung kartellrechtlichen Vorfragen eines zivilrechtlichen Schadenersatzanspruchs in das Kartellverfahren würde dazu führen, dass zentrale Aspekte des Anspruchs nicht in einem streitigen Zivilverfahren mit den Kostenersatzregelungen der ZPO, sondern im Kartellverfahren entschieden würden, das einen Kostenersatz hier nur bei Mutwilligkeit vorsieht (§ 41 KartG). Letztlich gibt es auch keine sachlichen Gründe für eine verfahrensrechtliche Privilegierung von vor dem Kartellgericht antragsbefugten Unternehmern (§ 36 Abs 4 Z 4 KartG 2005) gegenüber Nichtunternehmern, die gleichfalls als Gläubiger eines Anspruchs auf Schadenersatz wegen Verletzung von Wettbewerbsrecht in Frage kommen.
Der Oberste Gerichtshof meint abschließend, dass in Hinblick auf die systematischen Erwägungen und die Folgeprobleme, die eine Verlagerung der Klärung kartellrechtlicher Vorfragen von zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen in das Kartellverfahren mit sich brächte, eine derartige Lösung nicht im Wege der Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung entwickelt, sondern im Rahmen einer Gesamtregelung des “private enforcement” von Kartellverstößen vom Gesetzgeber getroffen werden sollte.