Bei bloß relativer Anwaltspflicht ist kein Einvernehmensrechtsanwalt erforderlich
Der Oberste Gerichtshof klärt unter Bezugnahme auf die bisherige, nicht ganz einheitliche Rechtsprechung, dass die Benennung eines österreichischen Einvernehmensrechtsanwalts nur bei absoluter Anwaltspflicht notwendig ist.
In Unterhaltsstreitigkeiten zwischen Kindern und ihren Eltern mit einem Streitwert über 5.000 Euro besteht gemäß § 101 Abs 1 AußStrG im Verfahren erster Instanz relative Anwaltspflicht: Die Parteien können zwar selbst im Verfahren auftreten; lassen sie sich vertreten, dann nur durch einen Rechtsanwalt. Davon zu unterscheiden ist die absolute Anwaltspflicht, bei der sich eine Partei jedenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen muss; selbst kann sie nicht vor Gericht auftreten.
In einem Unterhaltsstreit zwischen einem Kind und seinem in der Schweiz lebenden Vater trat in erster Instanz für den Vater ein in der Schweiz ansässiger Rechtsanwalt auf. Es stellte sich daher die Frage, ob die relative Anwaltspflicht auch bei Vertretung durch einen Schweizer Rechtsanwalt erfüllt wird. In diesem Zusammenhang ist das „Bundesgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sowie die Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch international tätige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Österreich“ (kurz Europäisches Rechtsanwaltsgesetz oder EIRAG) einschlägig. Nach dessen § 5 Abs 1 dürfen „in Verfahren, in denen sich die Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen … muss, … dienstleistende europäische Rechtsanwälte als Vertreter … einer Partei nur im Einvernehmen mit einem in die Liste der Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalt (Einvernehmensrechtsanwalt) handeln“. Unter den Begriff der dienstleistenden europäischen Rechtsanwälte fallen gemäß § 1 Abs 1 EIRAG auch Staatsangehörige der Schweizerischen Eidgenossenschaft, die berechtigt sind, als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt beruflich tätig zu sein.
Das Erstgericht trug dem Rechtsvertreter des Vaters auf, einen österreichischen Einvernehmensrechtsanwalt namhaft zu machen, was dieser aber nicht tat. Daraufhin betrachtete das Erstgericht sämtliche vom Rechtsvertreter des Vaters gestellten Anträge als wirkungslos.
Unter Bezugnahme auf die bisherige, nicht ganz einheitliche Rechtsprechung führte der Oberste Gerichtshof aus, dass die Benennung eines Einvernehmensrechtsanwalts nur bei absoluter Anwaltspflicht erforderlich ist, nicht aber bei bloß relativer Anwaltspflicht, wie sie im Unterhaltsstreit zwischen Kindern und Eltern gilt.