Bei einem Grenzstreit ist die Grenze laut aktuellem Grundbuchstand festzustellen
Sind die Grundstücksgrenzen nicht im Grenzkataster eingetragen und besteht zwischen den Grundnachbarn keine Einigkeit, so bestimmt sich der eigentumsrechtliche Grenzverlauf nach unbedenklichen objektiven Grenzzeichen (Grenzsteine, Metallmarken, Grenzpflöcke) oder nach der Naturgrenze (Mauern, Zäune, Bäume, Böschungskanten, natürliche Grenzlinien, langjähriger ruhiger Besitzstand).
Die Streitteile sind Grundnachbarn. Im Jahr 1971 trafen die Streitteile eine Vereinbarung über den Grenzverlauf. Danach richtet sich der Grenzverlauf nach der Vermessung eines beeideten Zivilgeometers; nach Maßgabe dieser Vermessung wurden auch Grenzsteine gesetzt. Im Jahr 1987/1988 wurde im fraglichen Bereich eine Straße ausgebaut. Nach Beendigung dieser Arbeiten fehlten die ursprünglichen Grenzsteine. Im Sommer 2009 ließ die klagende Partei den Vermessungsplan des Zivilgeometers aus dem Jahr 1971 rekonstruieren. Der Beklagte akzeptierte die zu diesem Zweck abgesteckten Grenzpflöcke nicht.
Die klagende Partei begehrte die Feststellung, dass bestimmte in einem angeschlossenen Lageplan rot eingefärbten Flächen zu ihren Grundstücken gehören und daher in ihrem Eigentum stehen.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.
Der Oberste Gerichtshof hob diese Entscheidungen auf und führte aus:
Besteht Streit über den eigentumsrechtlichen Grenzverlauf, so ist die richtige Grenze laut aktuellem Grundbuchsstand festzustellen. Dabei ist nicht auf die Mappengrenzen abzustellen. Sind die Grundstücksgrenzen nicht im Grenzkataster eingetragen und besteht zwischen den Grundnachbarn keine Einigkeit, so bestimmt sich der eigentumsrechtliche Grenzverlauf nach unbedenklichen objektiven Grenzzeichen (Grenzsteine, Metallmarken, Grenzpflöcke) oder nach der Naturgrenze (Mauern, Zäune, Bäume, Böschungskanten, natürliche Grenzlinien, langjähriger ruhiger Besitzstand).
Die klagende Partei beruft sich hinsichtlich der eigentumsrechtlichen Grenze auf die Vereinbarung aus dem Jahr 1971. Nach den Feststellungen wurde eine derartige Vereinbarung nach Maßgabe der Vermessung und Vermarkung durch den Zivilgeometer am 8. 10. 1971 tatsächlich getroffen. Der Beklagte hat das Vorbringen der klagenden Partei zu dieser eigentumsrechtlichen Grenze nicht bestritten. Es ist daher von einer Einigkeit der Parteien über den Verlauf der ursprünglichen (richtigen) Grenze sowie davon auszugehen, dass sich dieser Grenzverlauf nach der Vereinbarung aus dem Jahr 1971 richtet.
Der vom Erstgericht diskutierten Einverleibungsproblematik (vereinbarte Ab- und Zuschreibung; einvernehmlichen Festlegung der Grenze nach § 25 VermG) kommt daher keine Bedeutung zu.
Damit ist der eigentumsrechtliche Grenzverlauf laut aktuellem Grundbuchsstand geklärt. Dieser richtet sich nach der Vereinbarung vom 8. 10. 1971 und der zugrunde liegenden Vermessung durch den Zivilgeometer. Kann auf Basis der Vermessungsunterlagen des Zivilgeometers aus dem Jahr 1971 die richtige Grenze rekonstruiert und in die Natur übertragen werden, so kann auch eine entsprechende Feststellung und Vermarkung der richtigen Grenze erfolgen. Die Frage einer außerstreitigen Grenzerneuerung (bloße Erneuerung der Markierung) oder Grenzberichtigung (Neufestsetzung der Grenze, weil der richtige Verlauf nicht beweisbar ist) stellt sich in diesem Verfahren nicht.
Im fortgesetzten Verfahren wird insbesondere zu klären sein, ob der Lageplan, der dem modifizierten Klagebegehren zugrunde liegt, der Vermessung des Zivilgeometers aus dem Jahr 1971 entspricht und im Klagebegehren über die Feststellung des Eigentums (bzw des richtigen Grenzverlaufs) die richtigen Grenzpunkte angeführt sind.