Belastungsausgleich durch Geschäftsverteilungsänderung während des Jahres
Im Fall einer Arbeitsüberlastung eines Richters obliegt es allein dem Personalsenat, ausnahmsweise aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit und der höheren Gewährleistung der Erledigung von Verfahren in angemessener Frist eine Änderung der Geschäftsverteilung zu beschließen, die auch bereits angefallene Rechtssachen betreffen kann.
Nach der Verfassung sind die Geschäfte für ein Jahr im Voraus gleichmäßig unter die Richter eines Gerichts zu verteilen (Geschäftsverteilung). Auf diese Weise wird vorhersehbar, welcher Richter eine bestimmte Rechtssache als „gesetzlicher Richter“ zu entscheiden hat. Eine Änderung während des Geschäftsverteilungsjahres lässt die Verfassung nur ausnahmsweise zu, nämlich bei Verhinderung des eigentlich zuständigen Richters oder im Fall seiner Überlastung (Art 87 Abs 3 B-VG).
Der Personalsenat des Handelsgerichts Wien beschloss am 6. September 2013 einen Belastungsausgleich innerhalb der mit Anlegersachen befassten Gerichtsabteilungen. Damit wurden bestimmte anhängige Akten einem anderen Richter (als nach der Geschäftsverteilung vorgesehen) zugewiesen. In einem dieser Verfahren machte die in erster Instanz unterlegene Bank in ihrer Berufung geltend, ihr verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf den gesetzlichen Richter sei verletzt worden: Nicht der eigentlich nach der Geschäftsverteilung zuständige Richter habe entschieden, sondern der vom Personalsenat am 6. September 2013 im Einzelfall bestimmte Richter. Das Berufungsgericht folgte dieser Ansicht und hob das Urteil des Handelsgerichts Wien als nichtig auf.
Anders der Oberste Gerichtshof: Auf der Grundlage des Beschlusses des Personalsenats hat sehr wohl der „gesetzliche Richter“ entschieden, weshalb keine Nichtigkeit vorliegt.
In seiner Entscheidung vom 18. Februar 2015 arbeitet der Oberste Gerichtshof mehrere Unterschiede zwischen den Fällen der „Verhinderung“ und der „Überlastung“ heraus: Typische Verhinderungsfälle, die den Einsatz des in der Geschäftsverteilung vorgesehenen Vertreters erfordern, wie Erkrankung oder Urlaub, sind objektiv leicht nachvollziehbar und daher eindeutig. Dagegen ist die Überlastung eines Richters nicht in gleicher Weise objektivierbar und vor allem von den beteiligten Richtern – dem nach der Geschäftsverteilung als zuständig vorgesehenen Richter und seinem Vertreter – nicht klar und eindeutig handhabbar, weshalb in diesem Fall eine „Abnahme“ eines Aktes allein dem Personalsenat obliegt.
Im konkreten Fall lässt der Beschluss des Personalsenats des Handelsgerichts Wien keine unsachlichen Kriterien für den Belastungsausgleich erkennen.