Belehrung über das Rücktrittsrecht – konkrete Angabe des Zeitpunkts des Zustandekommens des Lebensversicherungsvertrags
Auch für den durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer ist wahrnehmbarer Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses jener des Zugangs der Polizze. Die Belehrung über das Rücktrittsrecht „binnen zweier Wochen nach Zustandekommens des Vertrags“ bedurfte keiner weiteren Konkretisierung des Zeitpunkts.
Die Klägerin schloss im Jahr 2000 mit dem beklagten Versicherer einen Lebensversicherungsvertrag. Über ihr Rücktrittrecht nach § 165a VersVG wurde sie gesetzeskonform dahin belehrt, dass sie berechtigt sei, binnen zweier Wochen nach dem Zustandekommen des Vertrags von diesem zurückzutreten.
Die Klägerin begehrt 2017 die Rückzahlung sämtlicher geleisteter Prämien, weil sie nicht über den konkreten Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrags informiert worden sei.
Das Erstgericht wies das Begehren ab. Das die Rücktrittsfrist auslösende Ereignis sei der Klägerin wie jedem durchschnittlichen Versicherungsnehmer in der Zusendung der Versicherungspolizze erkennbar gewesen.
Das Berufungsgericht hob das Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die Belehrung habe zwar dem Gesetzeswortlaut entsprochen, sei aber insofern fehlerhaft gewesen, als das fristauslösende Ereignis nicht ausreichend angegeben worden sei.
Der Oberste Gerichtshof stellte – von einer Klageeinschränkung in dritter Instanz abgesehen – die Entscheidung des Erstgerichts wieder her.
Der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in Geltung gestandene § 165a VersVG idF BGBl I Nr 6/1997 setzte die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung um. Entsprechend war geregelt, dass der Versicherungsnehmer berechtigt ist, binnen zweier Wochen nach dem Zustandekommen des Vertrags von diesem zurückzutreten. Weder eine besondere Form der Rücktrittserklärung noch ein besonderes Inkenntnissetzen des Versicherungsnehmers vom Vertragsabschluss wurden normiert. Der Gesetzgeber erfüllte damit die europarechtlichen Vorgaben, die die Festlegung der „übrigen rechtlichen Wirkungen des Rücktritts und die dafür erforderlichen Voraussetzungen“, insbesondere was die Modalitäten betrifft, nach denen der Versicherungsnehmer von seinem Rücktrittsrecht in Kenntnis gesetzt wird, dem jeweiligen Mitgliedstaat überließen.
Verwendete der Versicherer damals ein vom Interessenten an einem seiner Produkte auszufüllendes und bei ihm einzureichendes Antragsformular, ist dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer schon nach allgemeinen Vertragsgrundsätzen verständlich, dass sein Antrag eine Annahme erfordert und dass damit der Vertrag zustandekommt. Der Zugang der Polizze als wirksame Annahme des Versicherungsantrags ist daher für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer klar gleichzeitig die Verständigung vom Zustandekommen des Vertrags. Einer weiteren Belehrung bedurfte es nicht.