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Beteiligung am Shitstorm kann teuer werden

 
 

Ein Shitstorm entsteht erst durch die Teilnahme vieler. Wer sich daran beteiligt und zur Weiterverbreitung aufruft, muss damit rechnen, dass er den Gesamtschaden gegenüber dem Opfer (vorweg)leisten und sich in der Folge der Mühe der Aufteilung des Ersatzes unter den anderen Schädigern unterziehen muss.

Der Kläger ist Polizist. Er wurde anlässlich eines Einsatzes gefilmt. Ein Dritter veröffentlichte das Video in einem sozialen Medium (Facebook) mit folgendem – einen Aufruf zur Beteiligung an einem Shitstorm enthaltenden – Begleittext: „Lasst dieses Gesicht des Polizisten um die Welt gehen. Dieser Polizist eskalierte bei der Demo in Innsbruck. Ein 82-jähriger unschuldiger Mann wurde zu Boden gerissen, verhaftet, und Stundenlang verhört. Dieser Polizist ist schuldig“. Tatsächlich war der Kläger damals (nur) Glied einer polizeilichen Absperrkette gewesen und hatte nicht an der Amtshandlung gegenüber dem 82-jährigen Mann teilgenommen.
Der Beklagte teilte das Posting auf seinem Facebook-Profil aus „Unmut“ und nahm dabei in Kauf, ein Bild des Klägers samt dem herabsetzenden Text ohne Prüfung auf den Wahrheitsgehalt in Umlauf zu bringen.

Der Kläger begehrt Ersatz für den immateriellen Schaden, den er aufgrund des über ihn hereingebrochenen Shitstorm erlitten hat.

Die Vorinstanzen verneinten einen Anspruch auf Rechnungslegung/Auskunft im Rahmen einer Stufenklage und sprachen dem Kläger 450 EUR zu.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers teilweise Folge. Er verpflichtete den Beklagten zur Zahlung des gesamten begehrten Betrags in Höhe von 3.000 EUR als Ersatz für den durch die Verstöße gegen Datenschutz und Bildnisschutz verursachten Schaden.

Nach ausführlicher Auseinandersetzung mit Fragen des Nachweises der Verursachung und der (Un-)Teilbarkeit des durch einen Shitstorm herbeigeführten Schadens kommt der Oberste Gerichtshof zum Schluss, dass das Opfer eines Shitstorm nicht zu jeder von ihm erlittenen Kränkung oder Gefühlsbeeinträchtigung, etwa durch Konfrontation damit in seinem Umfeld, die konkrete „Quelle“ der herabsetzenden Äußerung als Ursache benennen und belegen muss. Es genügt der Nachweis des Klägers, Opfer eines Shitstorm gewesen zu sein, und dass sich der konkret belangte Schädiger daran rechtswidrig und schuldhaft beteiligt hat.

Die mit einem Shitstorm einhergehende Unaufklärbarkeit der Verursachung einzelner Folgen und die Unteilbarkeit des Schadens haben die Schädiger mit der Konsequenz zu tragen, dass das Opfer den Ersatz für den gesamten Schaden im Wege der Solidarhaftung berechtigt auch nur von einem von ihnen verlangen kann.

Die Schwierigkeit, andere Schädiger ausfindig zu machen, und das Risiko der Uneinbringlichkeit (bei einzelnen Schädigern) ist von den Schädigern zu tragen. Die einzelnen Poster, die zumindest teilweise untereinander vernetzt sind und wissen, an welche „Freunde“ sie den Beitrag weitergeleitet haben, haben die Schadensaufteilung im Regressweg untereinander vorzunehmen.

Die Abweisung der Stufenklage wurde bestätigt.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 12.12.2024, 01:12
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/beteiligung-am-shitstorm-kann-teuer-werden/)

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