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BREXIT und limited liability company mit Verwaltungssitz in Österreich

 
 

Der Oberste Gerichtshof hatte die Rechts- und Parteifähigkeit einer limited liability company (Ltd) mit Zweigniederlassung und Verwaltungssitz in Österreich infolge des Brexit zu beurteilen.

Die Klägerin ist eine nach englischem Recht gegründete private limited company (Ltd) mit (Gründungs-)Sitz im Vereinigten Königreich und Zweigniederlassung und alleinigem Verwaltungssitz in Österreich. Im Jahr 2016 brachte die Ltd gegen die Beklagte eine Klage aus einem Bauvorhaben ein.

Im April 2021 wies das Erstgericht über Antrag der Beklagten die Klage zurück, weil die Ltd infolge des Brexit nicht mehr als juristische Person anzuerkennen sei. Eine Berichtigung der Parteienbezeichnung auf „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ (GesbR) scheitere an der Rechtsfähigkeit dieser Gesellschaft; die Klägerin habe auch nur eine einzige Gesellschafterin.

Das Rekursgericht änderte den Beschluss hinsichtlich der Klagszurückweisung ab und trug dem Erstgericht die Verfahrensfortsetzung auf. Es sei aus Gründen des Gläubiger- und Gesellschafterschutzes zu fingieren, dass sich die Kapitalgesellschaft in eine Liquidationsgesellschaft verwandelt habe und als solche noch rechtsfähig sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem dagegen gerichteten Revisionsrekurs der Beklagten im Ergebnis nicht Folge.

Die Rechtsfähigkeit eines ausländischen Rechtsträgers ist grundsätzlich nach dem Recht des Sitzstaates (tatsächlicher Sitz der Hauptverwaltung) zu beurteilen. Aufgrund des Vorrangs der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit waren nach dem Recht eines Vertragsstaates gegründete Gesellschaften aber unabhängig vom Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes in jener Rechtsform als rechtlich existent anzuerkennen, in der sie gegründet wurden. Da infolge des Brexit-Referendums die Grundlage für diese Anerkennung entfiel, wurde für den Fall, dass zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich kein Austrittsabkommen zustande kommen sollte, das Brexit-Begleitgesetz (Bre-BeG 2019) geschaffen, nach dem bis 31.12.2020 die Rechtsfähigkeit solcher Gesellschaften aufrecht bleiben sollte. Nachdem das Austrittsabkommen letztlich keine Regelungen zur weiteren Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit enthielt, kam der Oberste Gerichtshof zum Ergebnis, dass solche Ltd, die im Übergangszeitraum auch keine gesellschaftsrechtlichen Anpassungen vorgenommen hatten, aus österreichischer Sicht ihre Rechtsfähigkeit verloren haben. Die Fingierung einer (rechtsfähigen) Liquidationsgesellschaft wurde dagegen nicht als zielführend erachtet.

Der Oberste Gerichtshof hielt aber fest, dass die Gesellschaft deshalb kein rechtliches Nichts wird, sondern „durch die Brille materiell österreichischen Gesellschaftsrechts“ zu beurteilen ist. Das ist im Fall einer Gesellschaftermehrheit eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts; gibt es nur einen Gesellschafter, kommt es zur unmittelbaren Zurechnung an diesen. Der Übergang der Rechte und Pflichten der Ltd auf den Allein- oder die GesbR-Gesellschafter hat in Analogie zu § 142 UGB (Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus einer OG) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge zu erfolgen.

Im konkreten Fall hatte dies die Fortsetzung des Verfahrens mit der Alleingesellschafterin der Ltd als nunmehriger Klägerin sowie die entsprechende Berichtigung der Parteienbezeichnung zur Folge.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 15.11.2024, 12:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/brexit-und-limited-liability-company-mit-verwaltungssitz-in-oesterreich/)

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