CE-Kennzeichen im Lauterkeitsrecht
Zur Wirkung des CE-Kennzeichens auf die Anforderungen nach dem Medizinproduktegesetz. .
Die Streitteile stehen durch die Herstellung und den Vertrieb von Schnelldiagnostika (In-vitro-Diagnosetests, Schwangerschafts- und Ovulationstests) im Wettbewerbsverhältnis. Die Produkte der Beklagten werden einem internen und externen regulatorischen Prüfungsverfahren unterzogen. Für die verfahrensrelevanten Produkte wurde der Beklagten am 15. Dezember 2017 eine EG-Konformitätserklärung ausgestellt. Auf den Produkten ist ein CE-Kennzeichen angebracht sowie die Nummer der benannten Stelle (der Zertifizierung). Bei der benannten Stelle mit der Kennnummer 0843 handelt es sich eine Gesellschaft mit Sitz in Großbritannien.
Die Klägerin warf der Beklagten unlautere Verstöße gegen das Medizinproduktegesetz (MPG) vor. Nach ihrem Begehren soll der Beklagten verboten werden, bestimmte von ihr hergestellte Schnelldiagnostika ohne ausreichende Information über eine sichere Anwendung auf der Stückpackung und in der Gebrauchsanweisung in Verkehr bringen zu lassen, insbesondere wenn auf der Stückpackung und in der Gebrauchsanweisung (von der Klägerin näher angeführte) Informationen und Angaben (ua über den Produktinhalt, die Verwechslungsgefahr mit ähnlichen Produkten, die In-vitro-Anwendung etc) fehlten.
Die Beklagte wandte ein, dass ihre Produkte nach einer umfassenden regulatorischen internen sowie externen Überprüfung durch eine unabhängige benannte Stelle mit einem CE-Kennzeichen versehen worden seien. Auf den Produkten seien deutliche Gebrauchsinformationen sowie Verwendungshinweise angebracht. Bei Medizinprodukten, die eine CE-Kennzeichnung aufwiesen, gelte stets die Annahme, dass die entsprechenden Voraussetzungen für das Inverkehrbringen eingehalten seien. Andernfalls hätte die zuständige Behörde ein Überprüfungsverfahren einzuleiten.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Erst- und Berufungsgericht hielten die Auffassung der Beklagten, mit der Ausstellung der EG-Konformitätserklärung sei das Inverkehrbringen damit gekennzeichneter Produkte zulässig, mit guten Gründen als vertretbar, sodass kein unlauteres Handeln der Beklagten vorliege.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge und bestätigte die von ihr angefochtene Entscheidung:
Ein Verstoß gegen eine generelle Norm ist nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich (nur) dann als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht. Das gilt grundsätzlich auch für Normen des (sekundären) Unionsrechts.
Unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen und innerstaatlichen Rechtsbestands, der referierten Rechtsprechung des EuGH, der dazu im Schrifttum vertretenen Meinung und aufgrund des von der Klägerin aufgezeigten Fehlens österreichischer Rechtsprechung zur Wirkung des CE-Kennzeichens auf die Anforderungen nach §§ 6 ff MPG, erweist sich der Rechtsstandpunkt der Beklagten, dass sie im Hinblick auf die Vermutung der aufrechten CE-Kennzeichnung davon ausgehen durfte, die von ihr vertriebenen Produkte entsprächen den Anforderungen des MPG, jedenfalls als vertretbar.