Der dauerhafte Verbleib einer Scherenspitze im Körper gilt als Körperverletzung im Sinne des § 1325 ABGB
Seelisches Schmerzengeld steht auch dann zu, wenn eine abgebrochene Scherenspitze nach einer Operation im Körper bleibt und keine körperlichen Schmerzen verursacht.
Bei der Herzoperation des Klägers brach die Spitze der von der Beklagten hergestellten Präparierschere ab und rutschte in eine Vene. Die Spitze von zumindest 1 cm verblieb im Körper des Klägers. Dieser Fremdkörper hat keinerlei Einwirkung auf seinen allgemeinen Gesundheitszustand. Er verspürt aufgrund des im Körper verbliebenen Teils der Schere keine Schmerzen. Mit dem Verbleib eines Teils der Schere im Körper des Klägers ist keine krankheitswertige psychische Beeinträchtigung verbunden. Es ist auch ausgeschlossen, dass die Spitze im Körper des Klägers wandert. Aus medizinischer Sicht ist von der risikoträchtigen Entfernung des Fremdkörpers abzuraten.
Der Kläger begehrte seelisches Schmerzengeld und stützte sich auf die Haftung der Beklagten nach dem Produkthaftungsgesetz (PHG). Er brachte dazu im Wesentlichen vor, dass er seit der Operation psychisch extrem belastet sei. Er lebe in ständiger Angst, dass die Spitze wandern und auch unabhängig davon Schaden anrichten und so seinen Tod herbeiführen könnte.
Die Beklagte brachte vor, dass die verbliebene Scherenspitze beim Kläger keine psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert verursache. Eine sonstige psychische Alteration ohne Krankheitswert sei nur bei einer Körperverletzung abzugelten.
Der Oberste Gerichtshof sprach dem Kläger ein Schmerzengeld von 5000 EUR zu. Er hielt fest, dass als Folge einer Körperverletzung auch seelische Schmerzen ersatzfähig sind. Dabei kommt es für die Ausgleichsfähigkeit weder auf das Vorliegen eines eigenständigen Leidenzustandes von Krankheitswert noch einer ärztlichen Behandlungsbedürftigkeit an. Unter einer „Verletzung an dem Körper“ im Sinne des § 1325 AGBG ist jede Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheit und Unversehrtheit zu verstehen. Auch ärztliche Eingriffe sind Körperverletzungen, wenn sie negative Folgen zeitigen. Eine äußerlich sichtbare Körperverletzung muss nicht vorliegen. Bei den Sorgen des Klägers und seiner Ungewissheit wegen der Existenz eines Fremdkörpers handelt es sich daher nicht um psychische Beeinträchtigungen, die bloß in Unbehagen und Unlustgefühlen bestehen, sondern vielmehr um die nachvollziehbaren seelischen Folgen einer Körperverletzung im Sinne des § 1325 ABGB.