Die Einklagung und die Titulierung eines Forderungsteils führt zu dessen Verselbständigung
Klagt der Gläubiger nur einen Teil einer bestehenden Forderung ein, wird ein Exekutionstitel geschaffen und wird dieser betrieben, so kommt es zur Schaffung einer weiteren, selbständigen Schuldpost iSd §§ 1415, 1416 ABGB. Diese gesetzliche Tilgungsanordnung kommt zur Anwendung, wenn derjenige, der sich auf die Abweichung von der gesetzlichen Tilgungsreihenfolge beruft, nicht eine anderslautende Vereinbarung oder Widmung des Schuldners beweist.
Die Oppositionsklägerin schuldete der beklagten Bank aus diversen, bereits fällig gestellten Kreditverträgen mehr als 300.000EUR. Die Bank klagte davon nur 70.000 EUR ein, worüber ein Versäumungsurteil erging. In der Folge wurden mehrere, von der Schuldnerin nur zum Teil eingehaltene Ratenvereinbarungen getroffen, die die Bank zum Anlass nahm, die Zwangsversteigerung einer Liegenschaft der Schuldnerin vorerst nicht einzuleiten, später aufzuschieben. Zwischen der Schuldnerin und der Bank wurde weder erörtert noch vereinbart, dass die Teilzahlungen auf den titulierten Teil der Forderung oder (vorerst) nur auf den Rest angerechnet werden. Die Schuldnerin leistete insgesamt aufgrund ihrer Teilzahlungen eine Summe, die die titulierte Forderung samt Anhang mehr als abdeckte. Deshalb machte sie das Erlöschen der titulierten Forderung geltend.
Die Vorinstanzen gaben der Klage übereinstimmend statt, weil sich die titulierte Forderung verselbständigt habe und die Teilzahlungen mangels des Nachweises einer Anrechnungsvereinbarung oder einer Widmungserklärung der Schuldnerin nach der gesetzlichen Tilgungsregel auf die titulierte Forderung anzurechnen seien, sodass diese bereits erloschen sei.
Der Oberste Gerichtshof schloss sich dieser Rechtsansicht an. Schon die Einklagung und anschließende Schaffung eines Exekutionstitels über die Teilforderung an Kapital von 70.000 EUR sA schaffte eine von der fällig gestellten Kreditforderung abzugrenzende und gegenüber dieser selbständige weitere Schuldpost an Kapital. Da es der Bank nicht gelungen ist, eine von der gesetzlichen Tilgungsanordnung abweichende Anrechnungsvereinbarung oder eine bestimmte Widmung der Teilzahlungen durch die Schuldnerin nachzuweisen, kommen §§ 1415, 1416 ABGB zur Anwendung. Danach kommt Tilgungspriorität jenen Schuldposten zu, die der Gläubiger bereits eingefordert hat, dh gerichtlich oder außergerichtlich geltend gemacht hat. Daher waren die geleisteten Teilzahlungen der Schuldnerin auf den titulierten und in der Folge exekutiv betriebenen Forderungsteil anzurechnen.