Ein Flugzeugtausch darf die Karrieremöglichkeiten der davon betroffenen Piloten nicht unsachlich schmälern
Die Kollektivvertragsparteien können in Ausübung ihrer Befugnisse einen abgeschlossenen Kollektivvertrag auch ändern und getroffene Regelungen verschlechtern sowie eine Gruppe auch benachteiligen, sofern sie die Grundrechte der betroffenen Arbeitnehmer beachten.
Der Kläger ist Pilot bei der beklagten Fluggesellschaft. Bis zur Fusion im April 2015 war er Pilot bei einer Tochtergesellschaft. Von Juli 2012 bis zur Fusionierung wurde der gesamte Flugbetrieb von der Tochtergesellschaft durchgeführt.
Nach dem Kollektivvertrag 2015 werden für die (ehemaligen) Piloten der Tochtergesellschaft (kleine Flugzeuge) und die Piloten der Beklagten (große Flugzeuge) getrennte Senioritätslisten geführt, die (nach Maßgabe der Flugzeuggröße) für Bewerbungen auf höhere Positionen herangezogen werden. Für einen vorgesehenen Flugzeugtausch wurde eine Sonderregelung geschaffen. Nach dieser Sonderregelung werden die Pilotenstellen für die neuen Flugzeuge (eines bestimmten Flugzeugtyps) im Verhältnis von 2 zu 1 zum Nachteil der Piloten der Tochtergesellschaft besetzt.
Der Kläger begehrte die Feststellung, dass für seine beruflichen Vorrückungen und Bewerbungen auf allen Flugzeugtypen der Beklagten die ab dem tatsächlichen Eintrittsdatum bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängern zurückgelegten Vordienstzeiten zu berücksichtigen seien. Zudem erhob er das Eventualbegehren, mit dem festgestellt werde solle, dass er einen Anspruch auf Beschäftigung als Kapitän auf dem neuen Flugzeugtyp mit sofortiger Wirkung habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht wies das Feststellungsbegehren hingegen ab.
Der Oberste Gerichtshof hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und führte aus:
Der normative Teil eines Kollektivvertrags ist wie ein Gesetz an den grundrechtlichen Gleichheitssatz sowie an die anderen Grundrechte gebunden. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch eine Bestimmung eines Kollektivvertrags vor allem darin liegen, dass eine Arbeitnehmergruppe ohne sachlichen Grund schlechter gestellt wird als eine andere Gruppe. Der Gleichheitssatz verbietet es aber nicht, sachlich gerechtfertigte Differenzierungen vorzunehmen, sondern nur, Gleiches ungleich sowie auch Ungleiches gleich zu behandeln. Wesentlich ist daher, dass keine Differenzierungen geschaffen werden dürfen, die sachlich nicht begründbar sind. Bei der Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass den Kollektivvertragsparteien ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum sowohl hinsichtlich der angestrebten Ziele als auch der zur Zielerreichung eingesetzten Mittel zusteht.
Mit den getrennten Senioritätslisten haben die Kollektivvertragsparteien den ihnen eingeräumten Ermessens- und Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Bei der Sitzplatzkapazität von Flugzeugen handelt es sich nämlich um ein sachliches Kriterium. Jene Piloten, die schon bisher auf größeren Flugzeugen eingesetzt wurden, verfügen über größere Erfahrung im Betrieb solcher Flugzeugtypen. Es besteht daher kein oder ein geringerer Einschulungsbedarf.
Anderes gilt jedoch für die Sonderregelung hinsichtlich des vorgesehenen Flugzeugtauschs. Nimmt die Anzahl der bisher kleineren Flugzeuge durch einen sukzessiven Flottentausch ab, so werden auch die Beförderungschancen für die Piloten der Tochtergesellschaft geringer. Durch Einbeziehung der Piloten der Beklagten werden die bisherigen Beförderungsmöglichkeiten der Piloten der Tochtergesellschaft zusätzlich geschmälert. Aufgrund der nachteiligen Verhältniszahl ist die Schmälerung der Karrierechancen als intensiv zu beurteilen, ohne dass eine sachliche Rechtfertigung vorliegt. Damit entspricht die Sonderregelung nicht dem Sachlichkeitsgebot. Diese Regelung ist in Bezug auf das Umstiegsverhältnis von 2 : 1 zum Nachteil der Piloten der Tochtergesellschaft nichtig.