Ein kollegialer Vorstand einer gewerkschaftlichen Fachorganisation muss nach dem Verhältniswahlrecht so zusammengesetzt werden, dass insgesamt das Stärkeverhältnis der Wählergruppen soweit wie möglich widergespiegelt wird
Wird die Zusammensetzung des Vorstands in drei Wahlgängen ermittelt, ist das d’Hondt-Wahlverfahren nicht bei jedem einzelnen Wahlgang unabhängig vom Ergebnis der beiden anderen Wahlgängen anzuwenden; vielmehr ist eine Gesamtschau anzustellen.
Den Gegenstand der Entscheidung bildet die Frage, auf welche Art der Vorstand einer Fachorganisation des ÖGB zu besetzen ist. Der Vorstand besteht aus 18 Personen, dem Vorsitzenden, fünf Vorsitzenden-Stellvertretern und 12 weiteren Mitgliedern. Für die Wahl sind dementsprechend drei Wahlgänge vorgesehen. Dabei ist für die Ermittlung des Ergebnisses das d’Hondt-Wahlverfahren anzuwenden. Im konkreten Fall standen Kandidaten und Kandidatinnen von drei Wählergruppen (A, B und C) zur Wahl. C – die kleinste der drei Wählergruppen – erreichte die Wahlzahl 14 und hätte dann das 14. Mandat im Vorstand erhalten, wenn alle drei Wahlgänge „zusammengezählt“ worden wären. Tatsächlich wurde die Wahl so abgewickelt, dass jeder einzelne Wahlgang gesondert gezählt wurde. Da in keinem der drei Wahlgänge 14 Mandate vergeben wurden, blieb die Wählergruppe C immer erfolglos.
Ebenso wie das Berufungsgericht teilte der Oberste Gerichtshof den Standpunkt der Wählergruppe C, dass bei den drei Wahlen eine Gesamtschau anzustellen ist: Im Vorstand muss das Stärkeverhältnis der Wählergruppen insgesamt abgebildet werden und nicht bei jedem Wahlgang extra, was im Ergebnis darauf hinausläuft, dass der Wählergruppe C das 14. Vorstandsmandat zufallen muss.