Einräumung eines Notwegs
Der Eigentümer einer „notleidenden“ Liegenschaft ist primär zur Selbstvorsorge verpflichtet. Erst dann, wenn diese nicht möglich ist, kommt die Einräumung eines Notwegs in Frage.
Der Eigentümer einer Liegenschaft will auf seinem Grundstück ein Einfamilienhaus errichten, verfügt aber nicht über die von ihm gewünschte Zufahrtsmöglichkeit. Für ihn kommt nur die Zufahrt aus nördlicher Richtung in Betracht. Er hat die Berechtigung über ein nördlich angrenzendes Grundstück seines Nachbarn zu fahren, braucht aber noch die Einräumung eines Wegerechts auf dem daran anschließenden Grundstück der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin ist gegen die Einräumung eines solchen Notwegs auf diesem Grundstück.
Für den Eigentümer besteht aus Richtung Süden noch eine andere Zufahrtsmöglichkeit, die er ablehnt, weil sie mit höheren Kosten verbunden ist. Dazu müsste er Adaptierungen auf seinem südlich anschließenden Grundstück vornehmen. Er könnte dann über zwei Privatstraßen fahren, die in seinem Miteigentum stehen, und daran anschließend über ein weiteres Grundstück der Antragsgegnerin. Mit der Nutzung dieses Grundstücks ist die Antragsgegnerin einverstanden.
Der Oberste Gerichtshof räumte dem Liegenschaftseigentümer – ebenso wie die Vorinstanzen – nicht den gewünschten Notweg über das nördlich gelegene Grundstück der Antragsgegnerin ein. Die Duldung eines Notwegs ist nur dann gerechtfertigt, wenn keine andere Zufahrtsmöglichkeit besteht. Diese Alternative ist hier aber gegeben.
Der Eigentümer kann vom Süden zu seinem Grundstück zufahren. Der finanzielle Aufwand von 9.200 EUR für die erforderlichen Baumaßnahmen auf seinen beiden Grundstücken ist nicht unzumutbar hoch. Im Rahmen der Selbstvorsorge ist der Eigentümer verpflichtet, die Wegtrasse auf seinem unmittelbar angrenzenden (südlichen) Grundstück zu verlängern. Als Miteigentümer der daran anschließenden beiden Privatstraßen, die er jetzt schon benützt, kann er diese Zufahrt auch für das Grundstück nutzen, auf dem er bauen möchte. Eine entsprechende Benützungsregelung ist realistisch, auch wenn sich derzeit die Mehrheit der Miteigentümer dagegen ausspricht. Und zuletzt ist auch die Zufahrt über das südlich gelegene Grundstück der Antragsgegnerin gesichert, die ihm – wie auch allen anderen Anrainern – ein Wegerecht gegen ortsübliches Entgelt zusagte.