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Einstweilige Verfügung wegen unlauteren Vertriebs der Digitalen Vignette und Digitalen Streckenmaut

 
 

Unzulässigkeit des Angebots digitaler Produkte bei unrichtiger Information und Vorenthaltung des Rücktrittsrechts der Verbraucher samt unberechtigter Kennzeichenverwendung.

Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft im Eigentum der öffentlichen Hand, besitzt das Fruchtgenussrecht an allen Autobahnen und Schnellstraßen Österreichs und hat das Recht, dort von sämtlichen Nutzern Maut einzuheben. Sie bietet unter anderem den Erwerb einer Digitalen Vignette bzw Digitalen Streckenmaut an. Beim Erwerb durch Verbraucher ist seitens der Klägerin eine Wartefrist von 18 Tagen vorgesehen, um Missbrauch von Kunden im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Rücktrittsrecht der Verbraucher zu verhindern.

Die Erstbeklagte ist ein deutsches Unternehmen, das über ihre Website die genannten digitalen Produkte der Klägerin anbietet und vertreibt, und zwar auch für Verbraucher als „sofort gültig“. Die Zweitbeklagte ist deren persönlich haftende Gesellschafterin, die Dritt- und Viertbeklagten sind die Geschäftsführer der Zweitbeklagten.

Die Beklagten geben die von ihren Kunden eingegebenen (Kennzeichen-)Daten und Produktauswahl ihrerseits in den Webshop der Klägerin ein und wählen dabei stets – also unabhängig davon, ob ihre Kunden tatsächlich die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen – die Option „Unternehmer“. Die Preise der Beklagten sind deutlich höher als im Webshop der Klägerin. Die Beklagten erteilen ihren Kunden teilweise unzutreffende Informationen und lehnen das Rücktrittsrecht der Verbraucher ab. Sie lassen ihre Kunden vorweg darauf verzichten. Verbraucher, die feststellen, dass sie bei den Beklagten einen höheren Preis bezahlt haben oder deren Rücktritt von den Beklagten nicht akzeptiert wird, beschweren sich mitunter bei der Klägerin. Auch verwechseln Verbraucher die Website der Beklagten – auf der auch die Kennzeichen der Klägerin aufscheinen – mit jener der Klägerin.

Das Erstgericht erließ auf Antrag der Klägerin eine einstweilige Verfügung, womit den Beklagten untersagt wurde, die Digitale Vignette oder Digitale Streckenmaut ohne Zustimmung der Klägerin zu vertreiben, insbesondere wenn sie die Verbraucher nicht über ihr gesetzliches Widerrufsrecht informieren oder es ihnen vorenthalten oder ihre Dienstleistungen mit unrichtigen Informationen versehen, um die Verbraucher zu veranlassen, die Mautprodukte zu höheren Preisen zu erwerben. Auch wurde den Beklagten untersagt, ihre Dienstleistungen unter Verwendung der Marken der Klägerin zu bewerben.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab, weil zwischen den Streitteilen kein Wettbewerbsverhältnis bestehe und die Marken der Klägerin beschreibend seien.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Klägerin Folge und stellte die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wieder her. Das Wettbewerbsverhältnis zwischen den Streitteilen ergibt sich im Wesentlichen aus dem gleichen Abnehmerkreis. Die Beklagten verstoßen durch die Nichtgewährung des Rücktrittsrechts an Verbraucher gegen das Fern- und Auswärtsgeschäftegesetz und damit gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Letzteres auch durch die unrichtigen Informationen an ihre Kunden, um sie zu veranlassen, die Mautprodukte zu weniger günstigen als den normalen Marktbedingungen, nämlich zu höheren Preisen zu erwerben. Die Wortbildmarken für die Digitale Vignette und die Digitale Streckenmaut sind unterscheidungskräftig und daher rechtsbeständig. Ihr unbefugter Gebrauch im Geschäftsverkehr durch die Beklagten verletzt die Klägerin in ihren Markenrechten.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 15.11.2024, 12:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/einstweilige-verfuegung-wegen-unlauteren-vertriebs-der-digitalen-vignette-und-digitalen-streckenmaut/)

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