Einstweilige Verfügung, Widerspruch und Entscheidungsgrundlage
Im Widerspruchsverfahren kann nicht nur der Antragsgegner, sondern auch die gefährdete Partei ergänzendes Vorbringen erstatten.
Das Erstgericht erließ eine einstweilige Verfügung vorerst ohne Anhörung des Gegners, der dagegen Widerspruch und Rekurs erhob, wobei er ausdrücklich die vorrangige Behandlung des Widerspruches beantragte.
Im Widerspruchsverfahren erstatteten beide Parteien ergänzendes Vorbringen, woraufhin das Erstgericht nach Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens umfänglichere Sachverhaltsfeststellungen traf und auf deren Grundlage den Widerspruch abwies, was der Antragsgegner unbekämpft ließ.
Über den daraufhin zu behandelnden Rekurs hob das Rekursgericht die einstweilige Verfügung auf, wobei es nur vom ursprünglichen Vorbringen im Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ausging, dieses als ungenügend erachtete und das im Widerspruchsverfahren erstattete Vorbringen der gefährdeten Partei und die ergänzenden Feststellungen unbeachtet ließ.
Der von der gefährdeten Partei angerufene Oberste Gerichtshof stellte die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wieder her und führte unter anderem aus:
Das Widerspruchsverfahren kann zu einer wesentlichen Änderung der im vorangegangenen einseitigen Verfahren gewonnen Feststellungen und damit der Entscheidungsgrundlage führen und dementsprechend kann die einstweilige Verfügung bestätigt, abgeändert, aufgehoben oder auch erstmalig eine Sicherheit angeordnet werden, solange das Verbot der Verschlechterung zu Lasten des Antragsgegners gewahrt bleibt. Die Entscheidung über den Widerspruch ist nämlich gegenüber der einstweiligen Verfügung keine völlig neue und von ihr unabhängige Entscheidung, sondern stellt bei richtigem Verständnis beide Parteien so, wie sie gestellt wären, wenn die einstweilige Verfügung in einem zweiseitigen Verfahren erlassen worden wäre.
Schon aus grundrechtlichen Überlegungen (wie sie sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vor allem im Verfahren Bsw 17056/06, Micallef ergeben) steht es daher beiden Parteien frei, im Widerspruchsverfahren Tatsachen vorzubringen, die im Zeitpunkt der Erlassung der einstweiligen Verfügung bereits entstanden waren; es darf daher der gefährdeten Partei dann, wenn ihr Gegner im Widerspruchsverfahren zufolge des Nichtbestehens der Eventualmaxime Vorbringen erstatten darf, nicht verwehrt werden, darauf selbst wiederum mit eigenem neuem Tatsachenvorbringen zu reagieren.
Entscheidet sich nun ein Antragsgegner, seinen Rekurs erst nach Behandlung des Widerspruches behandeln zu lassen, führt eine aufgrund ergänzenden Vorbringens beider Parteien und verbreiterter Entscheidungsgrundlage bestätigende Widerspruchsentscheidung (die hier noch dazu unangefochten blieb) dazu, dass die einstweilige Verfügung nunmehr auf dieser erweiterten Grundlage besteht und aufgrund des Rekurses zu prüfen ist. Nicht vom Gesetz gedeckt wäre es dagegen, die einstweilige Verfügung allein an der ursprünglichen, im einseitigen Verfahren ergangenen Entscheidungsgrundlage zu messen, weil damit gerade die Ergebnisse des der Wahrung rechtlichen Gehörs beider Parteien gewidmeten Widerspruchsverfahrens ausgeblendet würden.