ElWOG 2010: Entgeltanspruch des Elektrizitätserzeugers für eine aufgetragene Leistungsreduktion
Der Entgeltanspruch des Erzeugers infolge eine Anordnung nach § 23 Abs 9 ElWOG 2010 richtet sich gegen den Regelzonenführer; nur dieser ist passivlegitimiert. Die Anwendbarkeit des § 23 Abs 9 ElWOG 2010 setzt nicht zwingend voraus, dass der Regelzonenführer die Anordnung direkt an den Erzeuger adressiert und unmittelbar diesem gegenüber ausspricht. Auch die Vermittlung des Anordnungsinhalts und dessen gleichzeitige Konkretisierung durch den einzubindenden Verteilernetzbetreiber ist eine Anordnung des Regelzonenführers iSd § 23 Abs 9 ElWOG 2010.
Den Regelzonenführer trifft nach § 23 Abs 2 Z 5 ElWOG 2010 die Pflicht, Engpässe in Übertragungsnetzen zu ermitteln, Maßnahmen zur Vermeidung, Beseitigung und Überwindung von Engpässen in Übertragungsnetzen durchzuführen und die Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten. Für die Fälle, in denen zwischen dem Regelzonenführer und dem Erzeuger keine (diese Fragen regelnde) vertragliche Beziehung iSd § 23 Abs 2 Z 5 ElWOG 2010 besteht, normiert § 23 Abs 9 ElWOG 2010 die Verpflichtung der Erzeuger, auf Anordnung des Regelzonenführers, in Abstimmung mit den betroffenen Betreibern von Verteilernetzen, für die Vermeidung oder Beseitigung eines Netzengpasses erforderliche Leistungen, wie etwa die Erhöhung oder Einschränkung der Erzeugung, zu erbringen und das Verfahren zur Ermittlung des angemessenen Entgelts für diese Leistungen.
In dem vom Obersten Gerichtshof zu entscheidenden Fall begehrte die klagende Elektrizitätserzeugerin von der beklagten Regelzonenführerin – gestützt auf § 23 Abs 9 ElWOG 2010 – den Verdienstentgang, den sie infolge einer ihr im April 2018 aufgetragenen Leistungsreduktion erlitten hat. Die Beklagte bestritt diesen Anspruch im Wesentlichen mit der Begründung, sie habe die Aufforderung zur Reduktion der Einspeisung an die Verteilernetzbetreiberin, nicht an die betroffenen Erzeuger gerichtet und daher keine Anordnung iSd § 23 Abs 9 ElWOG 2010 erteilt. Nach dem festgestellten Sachverhalt wies die Beklagte zur Vermeidung eines Engpasses in ihrem Netz die betroffene Verteilernetzbetreiberin an, in einem bestimmten Zeitfenster die aus Winderzeugung zu erwartende Einspeisung an einer bestimmten Übergabestelle um 200 MW zu reduzieren. Die Verteilernetzbetreiberin teilte die dafür erforderliche Leistungsreduktion auf die dort einspeisenden Windkraftanlagenbetreiber auf und gab die Anweisung, die maximale Einspeiseleistung auf 30 % der Engpassleistung zu reduzieren, an die Klägerin weiter.
Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidungen und begründete dies – zusammengefasst – wie folgt:
Schon der Umstand, dass § 23 Abs 9 ElWOG 2010 die Anordnung des Regelzonenführers ausdrücklich an eine „Abstimmung“ mit den Verteilernetzbetreibern knüpft, spricht dafür, dass nicht notwendigerweise derjenige, der die angeordnete Maßnahme umzusetzen hat, der Erklärungsempfänger zu sein hat und auch die Vermittlung des Anordnungsinhalts und deren gleichzeitige Konkretisierung durch den einzubindenden Dritten den Tatbestand des § 23 Abs 9 ElWOG 2010 erfüllt. Eine Abstimmung iSd § 23 Abs 9 ElWOG 2010 erfordert dabei kein förmliches Einvernehmen, auch der Austausch über die zu setzenden Maßnahmen und ein faktisch konsensuales Vorgehen des Regelzonenführers und der Verteilernetzbetreiberin wird dem gesetzlichen Auftrag zur Abstimmung gerecht. Auch die Funktion des § 23 Abs 9 ElWOG 2010, dem Regelzonenführer die effiziente Umsetzung der meist dringlichen Maßnahmen des Engpassmanagements durch einseitige Anordnung von Leistungen einzelner Erzeuger zu ermöglichen, spricht dagegen, die Anwendbarkeit dieser Bestimmung von der Adressierung der Anordnung abhängig zu machen. Diese gesetzliche Kompetenz nach dem ElWOG 2010 kommt nur dem Regelzonenführer, nicht auch dem Verteilernetzbetreiber zu. Der Regelzonenführer verfügt aber nicht für alle Erzeuger über jene Kontaktdaten, die es ihm ermöglichen, diese direkt anzusprechen. Gegen das von der Beklagten vertretene Auslegungsergebnis spricht schließlich auch die Gefahr der Umgehung der in § 23 Abs 9 ElWOG 2010 gesetzlich normierten Entgeltpflicht.
Der Ersatzanspruch nach § 23 Abs 2 Z 9 ElWOG 2010 besteht nach dem Wortlaut und der Systematik der gesetzlichen Bestimmungen gegen den Regelzonenführer. Diese Passivlegitimation des Regelzonenführers spiegelt sich darin wieder, dass die Aufwendungen der Regelzonenführer für nach § 23 Abs 9 ElWOG 2010 einseitig angeordnete Engpassmanagementmaßnahmen bei der Bestimmung der Systemnutzungsentgelte anzuerkennen sind.