Erfüllungsgehilfenhaftung nur innerhalb des Aufgabenbereichs
Der Geschäftsherr haftet für unerlaubte Handlungen seines Gehilfen nicht, wenn das Verhalten aus dem allgemeinen Umkreis des Aufgabenbereichs, den der Gehilfe für den Schuldner wahrzunehmen hatte, herausfällt.
Die Klägerin (eine GmbH) hatte der Erstbeklagten (einer Wirtschaftsprüfungs-KG) den Auftrag erteilt, sämtliche Steuerangelegenheiten für sie zu erledigen. Die zweitbeklagte Kompementärin der KG kontrollierte und überwachte ihre Mitarbeiter regelmäßig; eine Mitarbeiterin jedoch, die als Buchhalterin beschäftigt war, leitete Steuerguthaben der Klägerin (zunächst unbemerkt) auf ihr eigenes Konto um und verbrauchte sie. Eine Befugnis, Rückzahlungsanträge an das Finanzamt zu stellen, hatte kein Mitarbeiter der Beklagten; solche Anträge wurden ausschließlich (nach gesonderter Aufforderung des jeweiligen Klienten) von der Erstbeklagten an das Finanzamt gerichtet.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab statt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge, stellte das Ersturteil wieder her und führte im Wesentlichen aus:
Der Oberste Gerichtshof hat zuletzt in den Entscheidungen 1 Ob 43/15b und 6 Ob 90/16b darauf hingewiesen, dass die Begrenzung der Haftung für Erfüllungsgehilfen auf (für den Geschäftsherrn) vorhersehbare Gefahren eine uferlose Haftung des Geschäftsherrn für Delikte seiner Gehilfen vermeiden soll. Der Schuldner hat daher nur dann für eine unerlaubte Handlung des Gehilfen einzustehen, wenn diese Handlung in den Aufgabenbereich eingreift, zu dessen Wahrnehmung er vom Schuldner bestimmt worden ist.
Im Anlassfall trifft es schon nicht zu, dass die Verfügung über Steuerguthaben zu den Hauptleistungspflichten der Beklagten gehörte. Solche (Rückzahlungs-)Anträge wurden jeweils nur über einen (gesonderten) schriftlichen Antrag der Klienten gestellt. Vor allem aber hat die Erstbeklagte ihren Mitarbeitern keine Befugnis übertragen, allfällige Steuerguthaben von Klienten für diese vom Finanzamt einzufordern. Die Mitarbeiterin war daher gerade nicht in dem ihr übertragenen Aufgabenbereich für die Beklagten tätig, als sie ihre Kenntnisse über die beim Finanzamt für die Klägerin vorhandenen Steuerguthaben verwendete, um sich diese Beträge (jeweils über selbst verfasste schriftliche, dem Finanzamt persönlich überbrachte Anträge) anzueignen. Eine Haftung der Beklagten für die bei der Klägerin aus dieser Vorgangsweise der Mitarbeiterin entstandenen (Vermögens-)Schäden nach § 1313a ABGB kommt daher nicht in Betracht.
Dem Sachverhalt lässt sich kein Organisations- oder Überwachungsverschulden der Beklagten und auch kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass sich Steuerguthaben der Klägerin (die das Finanzamt zu ihren Gunsten errechnete) im Verfügungsbereich der Beklagten befunden hätten. Von einer „Verwahrung“ der Steuerguthaben der Klägerin durch die Beklagten kann daher – entgegen der Rechtsansicht der Klägerin und des Berufungsgerichts – hier keine Rede sein, weshalb auch keine Verletzung eines Verwahrungsvertrags in Betracht kommt.
Eine Haftung der Beklagten für die geltend gemachte Forderung besteht daher nicht.