Ergänzungsanspruch auf Schmerzengeld nach vorangegangenem Vergleich
Wurden die bekannten und vorhersehbaren zukünftigen Schmerzen in einem Vergleich bereits global abgefunden, ist der Abfindungsbetrag bei nachträglichem Eintritt unvorhersehbarer Unfallfolgen in die Ermittlung des Ergänzungsanspruchs nicht mehr einzubeziehen.
Die bei einem Unfall im Jahr 2001 schwer verletzte Klägerin erhielt im Jahr 2003 vom Haftpflichtversicherer des Schädigers ein Schmerzengeld von 47.000 EUR. Von der Bereinigungswirkung des dieser Zahlung zugrunde gelegenen Vergleichs waren nur die damals bekannten und die vorhersehbaren künftigen Schmerzen im Sinne einer Globalbemessung umfasst. Im Jahr 2011 musste sie sich als Folge des Unfalls einer Operation unterziehen. Sie begehrte (neben weiteren Zahlungen) für die in diesem Zusammenhang erlittenen, bei Vergleichsabschluss nicht vorhersehbaren Schmerzen ein zusätzliches Schmerzengeld von 6.000 EUR.
Die Vorinstanzen wiesen dieses Begehren ab. Sie vertraten die Ansicht, dass die seinerzeit gezahlten 47.000 EUR von der Kaufkraft her heute etwa einem Betrag von 60.000 EUR entsprechen würden, der unter Einbeziehung der Operation im Jahr 2011 als globales Schmerzengeld angemessen sei. Ein weiterer Zuspruch komme daher nicht in Betracht.
Der Oberste Gerichtshof widersprach dieser Rechtsansicht. Einigen sich die Parteien in einem Vergleich auf eine Globalabfindung des Schmerzengelds, so muss das Ergebnis dieser Einigung nicht – wie bei einer gerichtlichen Bemessung – dem objektiv angemessenen Schmerzengeld entsprechen, sondern es kann je nach Verhandlungsgeschick und Interessenlage für die eine oder andere Seite günstiger sein. Folgte man der Rechtsansicht der Vorinstanzen, müsste sich ein Geschädigter auf seinen nachträglichen Ergänzungsanspruch eine allfällige „Überzahlung“ anrechnen lassen, die beide Parteien beim Vergleichsabschluss nicht als solche verstanden haben. Der Vergleich wäre damit hinfällig, was einen unzulässigen und daher abzulehnenden Eingriff in die Dispositionsfreiheit der Parteien bedeuten würde. Das Erstgericht wird deshalb im fortgesetzten Verfahren zu klären haben, ob die später eingetretene Unfallfolge im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bereits vorhersehbar war. Sollte dies zu verneinen sein, wird der Anspruch der Klägerin auf ergänzendes Schmerzengeld auf der Grundlage der nun erlittenen Schmerzen ohne Bedachtnahme auf den seinerzeitigen Vergleich und die im Jahr 2003 geleistete Zahlung zu ermitteln sein.