Ersatz für verlorene Ruhezeiten
Wird in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gegen Ruhezeitenvorschriften nach der unionsrechtlichen Arbeitszeitrichtlinie verstoßen, ohne dass dies im Rahmen des Dienstverhältnisses (etwa durch Ersatzruhezeiten) ausgeglichen wird, haftet der Dienstgeber nach dem Amtshaftungsgesetz für die Verletzung seiner Fürsorgepflicht.
Im Weg des Schadenersatzes ist aufgrund des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes – über die Entlohnung allfälliger Mehrdienstleistungen hinaus – der Erholungswert der entgangenen Ruhezeiten abzugelten. Die Bemessung kann sich am durchschnittlichen Entgelt für die Zeit der entgangenen Ruhe orientieren.
Der Kläger stand als Schulwart und Verwalter eines Volkshauses in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zur beklagten Stadt.
Mit seiner insbesondere auf das Amtshaftungsgesetz gestützten Klage begehrte er eine Entschädigungszahlung für nicht gewährte (Ersatz-)Ruhezeiten in den Jahren 2016 bis einschließlich 2018. Seine täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten seien regelmäßig durch die zusätzlich zu den normalen Dienstzeiten anlassbedingt im Volkshaus und im Turnsaal der Schule zu verrichtenden Dienste unterschritten worden. Auch die ihm zustehenden Ersatzruhezeiten seien ihm nicht gewährt worden.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab, weil kein Anspruch auf finanzielle Entschädigung für nicht gewährte (Ersatz-)Ruhezeiten bestehe.
Der Oberste Gerichtshof teilte diese Auffassung im Hinblick auf unionsrechtliche Vorgaben nicht und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über die Ansprüche des Klägers auf, soweit sie nicht bei Einbringung der Klage bereits verjährt waren.
Die Arbeitszeitrichtlinie legt Mindestvorschriften fest, die dazu bestimmt sind, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer durch eine Angleichung der innerstaatlichen Arbeitszeitvorschriften zu verbessern. Nach der Rechtsprechung des EuGH müssen die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der vollen Wirksamkeit der Richtlinie die Beachtung der Mindestruhezeiten gewährleisten und jede Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit verhindern.
Schäden, die einem Arbeitnehmer durch Verstöße gegen die Richtlinie und gegebenenfalls gegen die diese Richtlinie umsetzenden Gesetze (hier das Oö Statutargemeinden Bedienstetengesetz 2002) entstanden sind und nicht schon (etwa durch Ersatzruhezeiten) im Rahmen des Dienstverhältnisses ausgeglichen werden, sind im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu ersetzen; bei öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen daher nach dem Amtshaftungsgesetz.
Die Pflicht, auf die Einhaltung der Mindestruhezeiten zu achten, diese zu kontrollieren und jede Überschreitung zu verhindern, ist der Fürsorgepflicht des Dienstgebers zuzuordnen. Sollte die Beklagte ihrer Fürsorgepflicht nicht nachgekommen sein, sodass es zu einer Unterschreitung der täglichen und/oder wöchentlichen Ruhezeiten gekommen ist, könnte sie daher dem Kläger schadenersatzpflichtig werden.
Mit der Überstundenvergütung für die in der mutmaßlichen Verkürzung der Mindestruhezeit liegende Zuvielarbeit ist der immaterielle Schaden des Klägers („Erholungsmanko“) jedenfalls (noch) nicht zur Gänze abgedeckt. Eine Schadensberechnung, die den durchschnittlichen Normalstundensatz mit den täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten pro Jahr multipliziert, die dem Kläger zu Unrecht nicht gewährt wurden, ist angesichts der nationalen Bestimmungen insbesondere des Arbeitsruhegesetzes und dazu ergangener Rechtsprechung schlüssig.