Essensbons auch für pensionierte Arbeitnehmer – betriebliche Übung?
Zweck und Funktion der Ausgabe von Essensbons sind zu hinterfragen. .
Der Kläger war von 1971 bis zu seiner Pensionierung bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängern beschäftigt. Diese gewährten „seit ewig“ sowohl den aktiven als auch den pensionierten Mitarbeitern Essensbons, mit denen in der Kantine und in umliegenden Vertragsgasthäusern vergünstigte Mahlzeiten bezogen werden konnten. Als größere Malversationen im Zusammenhang mit den Essensbons zutrage traten, führte die Beklagte elektronische Wertkarten eines Drittanbieters ein, die aus steuerlichen Gründen nur mehr an aktive Mitarbeiter ausgehändigt werden. Der Kläger nutzte die Essensbons in der Pension nur sporadisch, manchmal auch monatelang nicht.
Er begehrte mit seiner Klage eine Nachzahlung für die ihm verwehrten Essensbons und die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm eine Wertkarte zur Verfügung zu stellen. Es habe eine betriebliche Übung bestanden, durch die ein vertraglicher Anspruch entstanden sei. Dieser könne nicht einseitig geändert werden. Die Beklagte wandte ein, es handle sich beim Essensmarkensystem um eine betriebliche Wohlfahrtseinrichtung. Leistungen daraus könnten ohne engen Zusammenhang mit der Arbeitsleistung nicht Teil individueller Leistungsansprüche werden. Bei Pensionisten fehle ein solcher Zusammenhang.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab ihm dagegen statt.
Der Oberste Gerichtshof stellte über Rechtsmittel der Beklagten die Klageabweisung des Erstgerichts wieder her.
Für die Frage, welche Leistungen durch schlüssiges Verhalten des Arbeitgebers individuelle Ansprüche der Arbeitnehmer begründen, kann es eine Rolle spielen, ob und inwieweit die Leistungen mit den Arbeitsleistungen zusammenhängen oder vorrangig andere Ziele verfolgen. Ist nur letzteres der Fall, wird in der Regel keine schlüssige Verpflichtung des Arbeitgebers zu einer dauerhaften, nicht einseitig widerruflichen Leistung aus dem Arbeitsverhältnis angenommen. Der Zweck der Gewährung freier oder verbilligter Mahlzeiten am Arbeitsplatz liegt primär in der arbeitsökonomischen Essensversorgung der Mitarbeiter und der Verringerung ihres typischerweise höheren finanziellen Aufwands für arbeitsbedingt außer Haus zu konsumierende Mahlzeiten. Nach einer Vorentscheidung geht dieser Zweck schon bei einer Arbeitsverhinderung im aufrechten Dienstverhältnis ins Leere, umso mehr aber bei pensionierten Arbeitnehmern. Die Ausnützung von Essensbons hängt bei ihnen in der Regel von persönlichen Lebensumständen und Gegebenheiten ab, die mit dem Arbeitsverhältnis in keinem Zusammenhang mehr stehen.
Das führt bei dieser Personengruppe zu einem Funktionswandel der Essensbons. Sie können danach zwar noch als Sozialleistung, nicht aber als vertraglich geschuldete Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung iS eines aufgesparten Entgelts aufgefasst werden. Da sie daher einseitig abänderbar sind, ist im vorliegenden Fall ein Anspruch des Klägers auf die weitere Ausgabe von Essensbons sowie die Herausgabe der Wertkarte zu verneinen.