Feiertagsentgelt für Arbeit am Karfreitag
Auch ein Arbeitnehmer, der keiner der relevanten Kirchen iSd § 7 Abs 3 ARG idF BGBl I 2004/159 angehört, hat bei Arbeit am Karfreitag gegen seinen Arbeitgeber Anspruch auf Zahlung des Feiertagsentgelts nach § 9 Abs 5 ARG. Dieser Anspruch besteht jedoch nur dann, wenn der Arbeitnehmer zuvor vom Arbeitgeber eine Freistellung am Karfreitag gefordert hat, und der Arbeitgeber diesem Ersuchen nicht nachgekommen ist.
Der Kläger ist Arbeitnehmer der Beklagten, einem privaten Unternehmen. Er gehört keiner der Kirchen an, für die § 7 Abs 3 ARG idF BGBl I 2004/159 den Karfreitag als Feiertag bzw § 9 Abs 5 ARG bei Erbringung von Arbeitsleistungen an diesem Tag einen Anspruch auf Feiertagszuschlag vorsieht. Für die von ihm am Karfreitag, dem 3. 4. 2015, erbrachte Arbeitsleistung wurde ihm daher von der Beklagten kein Feiertagsentgelt bezahlt. Dieses macht er im vorliegenden Verfahren geltend.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Urteil in eine Klagestattgebung ab.
Der von der Beklagten angerufen Oberste Gerichtshof stellte zunächst ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH (9 ObA 75/16v). Nachdem der EuGH darüber mit Erkenntnis vom 22. 1. 2019, C‑193/17, entschieden hatte, wurde das Verfahren fortgesetzt, die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Aufgrund des Erkenntnisses des EuGH ist davon auszugehen, dass die Normierung des Karfreitags als Feiertag bzw des Anspruchs auf Feiertagsentgelt im Fall der Arbeitsleistung an diesem Tag nur für Angehörige der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch‑methodistischen Kirche eine Art 21 der Grundrechtecharta widersprechende unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Religion darstellt.
In einem derartigen Fall ist das nationale Gericht gehalten, die diskriminierende nationale Bestimmung außer Anwendung zu lassen und auf die Mitglieder der benachteiligten Gruppe eben die Regelung anzuwenden, die für die Mitglieder der anderen Gruppe gilt.
Dem Kläger kommen daher in Bezug auf den Karfreitag dieselben Rechte wie den Angehörigen der in § 7 Abs 3 ARG genannten Kirchen zu, allerdings nur unter den gleichen Bedingungen. Das derzeit gültige Bezugssystem bringt es mit sich, dass sich ein Arbeitnehmer hinsichtlich seiner Religion und seines Wunsches am Karfreitag nicht zu arbeiten, gegenüber dem Arbeitgeber artikulieren muss. Dass vom Arbeitnehmer eine „Vorinformation“ des Arbeitgebers und eine entsprechende Klarstellung verlangt werden kann, folgt schon aus der allgemeinen Treuepflicht des Arbeitnehmers. Auch wenn diese Offenlegung durch Forderung nach einer Freistellung bei Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer bezüglich des Karfreitags ihren unmittelbaren Zweck – der Zuordnung eines Arbeitnehmers zur begünstigten Gruppe – verliert, kann aus dem Unionsrecht nur eine Gleichstellung der benachteiligten Gruppe abgeleitet werden.
Demnach steht dem Kläger ein Anspruch auf Feiertagsentgelt nur dann zu, wenn er zuvor von der Beklagten eine Freistellung für den Karfreitag, den 3. 4. 2015, gefordert hat und die Beklagte diesem Ersuchen nicht nachgekommen ist.
Da auch der Oberste Gerichtshof die Parteien nicht mit einer bisher von keiner Seite vorgebrachten Rechtsansicht überraschen darf, ist eine Erörterung und allfällige Ergänzung des Beweisverfahrens zu dieser Frage in erster Instanz erforderlich.