Fiktiver Ehegattenunterhalt als Unterhaltsbemessungsgrundlage
Ein fiktiver Ehegattenunterhaltsanspruch des Vaters ist als Bemessungsgrundlage für den Unterhaltsanspruch der Tochter für die Vergangenheit heranzuziehen.
Die zwanzigjährige Tochter beantragte eine Unterhaltserhöhung gegen den Vater. Dieser bezog im maßgeblichen Zeitraum kein eigenes Einkommen, sondern lebte vom Naturalunterhalt seiner gut verdienenden Ehegattin.
Das Erstgericht zog nur einen Taschengeldanspruch des Vaters gegenüber seiner Ehegattin in Höhe von 5 % ihres Einkommens als Bemessungsgrundlage für den Kindesunterhalt heran.
Das Rekursgericht erhöhte den Unterhalt der Tochter in einem größeren Ausmaß, indem es bei der Unterhaltsbemessung im Rahmen der Anspannung als Bemessungsgrundlage den dem Vater gegenüber seiner Ehegattin zustehenden Geldunterhaltsanspruch in Höhe von 33 % des Nettoeinkommens heranzog. Den fiktiven Ehegattenunterhaltsanspruch auch für die Vergangenheit als Bemessungsgrundlage heranzuziehen, sei nicht unbillig, hätten es andernfalls doch der Vater und seine Ehegattin in der Hand, ihre überdurchschnittlichen Lebensverhältnisse zu Lasten der Tochter des Mannes zu gestalten und die Tochter vom finanziellen Wohlergehen des Vaters, das auf dem satten Verdienst seiner Ehefrau beruhe, auszuschließen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Vaters nicht Folge.
Der Ehegattenunterhalt ist auf Verlangen auch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft ganz oder zum Teil in Geld zu leisten, soweit ein solches Verlangen nicht unbillig wäre. Kommt einem Elternteil ein Geldunterhaltsanspruch gegenüber seinem Ehegatten zu, macht er davon aber keinen Gebrauch, kann dies, ausgehend von der anzuwendenden Anspannungstheorie, nicht zu Lasten eines geldunterhaltsberechtigten Kindes gehen. So ist auch ein fiktiver Geldunterhaltsanspruch des Unterhaltspflichtigen gegenüber seinem wesentlich besser verdienenden Ehegatten als Bestandteil der Unterhaltsbemessungsgrundlage für ein Kind heranzuziehen.
Die Frage, ob das auch für den Unterhalt für die Vergangenheit gilt, ist schon deswegen zu bejahen, weil Unterhalt grundsätzlich auch für die Vergangenheit begehrt werden kann und allein der Umstand, dass Geldunterhaltsbeiträge erst im Nachhinein eingefordert werden, das Unterschreiten der geschuldeten Höhe des Unterhaltsbeitrags nicht rechtfertigt. In der Durchsetzung von berechtigten Unterhaltsansprüchen liegt auch kein unzulässiger Eingriff in höchstpersönliche Rechte des Unterhaltsschuldners, weil ihm grundsätzlich jedes Recht auf eine Vermeidungsstrategie abzusprechen ist, die ausschließlich dem Zweck dient, sich seiner Unterhaltspflichten zu entziehen.