Für die Beachtlichkeit eines Motivirrtums ist es weder nach der alten noch nach der neuen Rechtslage notwendig, dass der Erblasser seinen Beweggrund in der letztwilligen Verfügung „angegeben“ hat
Der Oberste Gerichtshof stellt dazu klar, dass sich entgegen den (unverständlichen) Erläuterungen des Gesetzgebers an der gesetzlichen Regelung des Motivirrtums bei der gewillkürten Erbfolge inhaltlich nichts geändert hat, weshalb die bisherige Rechtsprechung weiterhin zur Anwendung gelangt.
Die Erblasserin hatte in einem Testament aus dem Jahr 1989 ihren Ehemann zum Alleinerben bestimmt. In einem notariellen Testament aus dem Jahr 2009 widerrief sie diese Anordnung und setzte ihre Nichte zur Alleinerbin ein. Dem Notar erklärte sie diese Maßnahme damit, dass ihr Ehemann eine Freundin habe und sie verhindern wolle, dass diese über ihren Ehemann zu ihrem Vermögen gelange. Dabei ging sie von der unrichtigen Annahme aus, dass ihr Ehemann ein Verhältnis mit der Nachbarin habe.
Im Verfahren über das Erbrecht bestritt der Ehemann die Gültigkeit des jüngeren Testaments ua wegen eines Motivirrtums.
Das Erstgericht stellte das Erbrecht des Ehemanns fest, wobei es von einem beachtlichen Motivirrtum ausging. Das Rekursgericht widersprach dieser Auffassung. In den Gesetzesmaterialien zum ErbRÄG 2015 habe der Gesetzgeber klargestellt, dass der Beweggrund in der letztwilligen Verfügung angegeben werden müsse und sich von der gegenteiligen Rechtsprechung distanziert.
Der Oberste Gerichtshof hob die Entscheidung des Rekursgerichts zur Erledigung der Verfahrens- und Beweisrügen auf. Seiner Begründung nach lässt sich weder aus der im Anlassfall anzuwendenden „alten“ noch nach der inhaltlich völlig unveränderten neuen gesetzlichen Regelung die Notwendigkeit ableiten, dass für die Beachtlichkeit eines Motivirrtums der Beweggrund in der letztwilligen Verfügung angegeben sein muss. Es genügen daher auch die Äußerungen der Erblasserin gegenüber dem Notar. Die gegenteiligen Erläuterungen des Gesetzgebers in den Materialien sind insofern unverständlich und irrelevant, weil sie im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden haben. Sie sind auch nicht als authentische Interpretation der alten Rechtslage zu verstehen.