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Gemeinde haftet für Vergewaltigung

 
 

Vergewaltigungen einer Amtsleiterin durch einen Bürgermeister im Gemeindeamt stehen im ausreichenden inneren und äußeren Zusammenhang mit dem hoheitlichen Aufgabenbereich, nämlich der dem Bürgermeister als Leiter des Gemeindeamts übertragenen Fürsorgepflicht der Gemeinde als Dienstgeberin.

Das Opfer – eine Amtsleiterin – eines wegen Vergewaltigung verurteilten Bürgermeisters begehrt von der beklagten Gemeinde aus dem Titel der Amtshaftung Schadenersatz (Verdienstentgang). Die klagende Beamtin befand sich zunächst wegen einer depressiven Störung, bedingt durch die sexuellen Übergriffe des Bürgermeisters, im Krankenstand und wurde schließlich wegen krankheitsbedingter dauernder Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.

Das Erstgericht bejahte eine Haftung der Gemeinde für die Vergewaltigungen, die der Bürgermeister im Gemeindeamt begangen hatte.

Das Berufungsgericht wies das Leistungsbegehren ab, weil die Vergewaltigungen nicht im hinreichenden Zusammenhang mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben stünden, insbesondere der Ausübung der Fürsorgepflicht des Dienstgebers.

Der Oberste Gerichtshof teilte die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht. Aufgrund seiner leitenden Organstellung als Vorstand des Gemeindeamts ist der Bürgermeister auch oberster Verantwortlicher für die Einhaltung der Fürsorgepflicht gegenüber der Amtsleiterin. Der Bürgermeister hat durch die im Gemeindeamt und daher im zeitlichen und örtlichen (räumlichen) Zusammenhang mit der Tätigkeit der Klägerin als Amtsleiterin durchgeführten Vergewaltigungen massiv in ihre körperliche Integrität eingegriffen und dadurch auch gegen die ihm obliegende Fürsorgepflicht als Vorgesetzter verstoßen. Er tat genau das Gegenteil dessen, was als Teil der Fürsorgepflicht seine Dienstpflicht gewesen wäre. Der Gemeinde sind die vom Bürgermeister gegenüber der Amtsleiterin begangenen Vergewaltigungen jedenfalls haftungsrechtlich zuzurechnen.
Die Klägerin war befristet für fünf Jahre zur Amtsleiterin bestellt. Für diesen Zeitraum besteht ihr Verdienstentgangsbegehren dem Grunde nach zu Recht. Für die Zeit danach steht noch nicht fest, ob die Klägerin aufgrund ihres durch die Vergewaltigungen verursachten Gesundheitszustands nicht mehr mit der Leitung des Gemeindeamts bestellt wurde oder – was die Gemeinde behauptet – infolge ihres unangemessenen Verhaltens (unabhängig vom Krankenstand) nicht mehr als Amtsleiterin weiterbestellt wurde. Dazu sind vom Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren Feststellungen zu treffen.

Link zum Volltext im RIS

 
ogh.gv.at | 18.01.2025, 02:01
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/gemeinde-haftet-fuer-vergewaltigung/)

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